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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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eindringlich: »Und der Philipp –?«
    Ein wenig milder sagte der Arzt: »Der Mittelfußknochen ist zerschlagen, wahrscheinlich gesplittert. Er muß operiert werden, das kann ich hier nicht machen. Er muß ins Kreiskrankenhaus …«
    »Nicht ins Krankenhaus!« bat das Mädchen flehentlich. »Er wird glauben, er ist wieder in der Blödenanstalt. Er war einmal da, Herr Doktor, und er hat solche Angst davor …«
    Doktor Kimmknirsch sah sie nachdenklich an: »Sie können ihn doch nicht pflegen«, sagte er. »Kein Verbandszeug, kein Licht, kein Wasser … womöglich kein Geld …« Sein Gesicht wurde wieder strenger: »Es geht nicht immer so, wie man möchte, mein Fräulein …«
    »Und die Polizei!« flüsterte das Mädchen noch angstvoller. »Im Krankenhaus muß er doch angemeldet werden. Er ist doch ein entlaufener Knecht …«
    »Da!« sagte der Arzt wütend. »Da! Nun fangen Sie wirklich an zu schwatzen. Und ich sollte Sie nichts fragen …« Er überlegte. »Kann er denn nicht zu seiner Dienstherrschaft?! Wem ist er denn entlaufen? So schlimm wird es doch gar nicht sein …«
    »Schlieker in Unsadel …«, flüsterte das Mädchen.
    »So!« sagte der Arzt. Und noch einmal: »So!« SeineStimme klang wieder milder. Er dachte nach. Dann fragte er: »Dann hat Herr Schlieker wohl auch die Falle aufgestellt?«
    »Ja«, flüsterte das Mädchen.
    »Und für kein Tier?«
    »Nein«, sagte sie leise. »Wohl für mich.«
    »Sie sollen doch nicht schwatzen«, sagte Doktor Kimmknirsch ärgerlich. »Sie sind ein sehr schwatzhaftes Mädchen. Sie meinen für Diebe, für Kleiderdiebe …«
    Er sah sie scharf an.
    Sie errötete leise. Dann warf sie trotzig den Kopf mit den hellen Haaren zurück. »Ja, für Kleiderdiebe«, sagte sie.
    »Ich will sehen, was sich tun läßt«, sagte der Arzt langsam. »Ich hole meinen Kollegen, Herrn Geheimrat Faulmann. Der Junge wird unterdes nicht wach werden, ich habe ihm eine Spritze gegeben. Sie werden jetzt diese Tablette nehmen und sich hier in meinem Schlafzimmer auf das Sofa legen und sofort einschlafen. Sie stehen nicht auf, wohlverstanden, ehe ich es Ihnen erlaube. Sie schlafen …«
    »Oh, Herr Doktor –!« rief Rosemarie.
    »Wollen Sie still sein!« befahl er. »Sie haben zu schlafen, nicht zu schwatzen! Und es ist noch lange nicht ausgemacht, Fräulein
Thürke
, daß ich Sie nicht persönlich dem Ehepaar Schlieker wieder zuführe. –
    Rasch: Hier ist eine Decke. Decken Sie sich gut zu. Gute Nacht!«
    Der Arzt überlegte lange, er sah sie lange an. Ihr war, als drängen seine Augen immer tiefer in sie ein, und das war nicht schlimm, nein, sie wünschte, diese Augen sähen alles, alles. Plötzlich, unter diesem Blick, in ein paar flüchtig vorbeihuschenden Sekunden, wird es ihr, als kennte sie nun das eben noch ersehnte »Irgend etwas« – fast lächelt sie.

14. KAPITEL
    Worin viele viele suchen, aber die Falschen finden die Falschen
    Als Doktor Georg Kimmknirsch diesen Abend zum zweitenmal auf die nächtliche Straße trat, in den »Erbherzog« zu gehen, rief ihm aus einem vorbeiklappernden Wagen eine Stimme zu: »Guten Abend, Herr Doktor!«
    »Guten Abend«, antwortete Kimmknirsch ganz in Gedanken und merkte erst dann, daß es sein erster Patient, Herr Päule Schlieker aus Unsadel, gewesen war, der ihn so höflich gegrüßt hatte.
    Der Arzt mochte über Schlieker denken – wie er dachte, er rief doch: »He, Herr Schlieker!«
    Die Frau hielt die Pferde, Doktor Kimmknirsch ging langsam an den Wagen und fragte (wobei er sich ärgerte, daß er dies fragte, denn die Antwort war ihm doch ganz egal): »Nun, wie steht es mit den Schmerzen?«
    »Danke« sagte Schlieker trocken, kniff den Mund zusammen und sah den Arzt prüfend an.
    »Und so allein?« fragte der. »Nichts geworden mit der Haussuchung? Nicht getroffen den Herrn Amtsgerichtsrat?«
    »Ja …«, sagte Schlieker nach einer ganzen Weile gedehnt. Und nichts weiter.
    Nun ärgerte sich Kimmknirsch schon gewaltig über seine eigene dämliche Fragerei, aber er konnte es doch nicht lassen. »Was gefunden …?« fragte er und zeigte auf den hinteren Wagenkasten.
    Immer mit der gleichen hinterhältigen Aufmerksamkeit sah Schlieker den Arzt an, aber diesmal antwortete er überhaupt nicht.
    Der Doktor hätte schwören mögen, daß dies verbeulte,verbogene Rad da hinten im Wagen ihm erst vor einer Stunde gegen den Leib gesaust war. Er sagte eindringlich: »Ich meine das Rad, das kaputte Rad da hinten – ob Sie das gefunden haben?«
    Die beiden

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