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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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frei, Ihre Frau sagt, Sie haben ein paar Rippen gebrochen …«
    »Er hat sie mir gebrochen, der Hund …«, legte Schlieker wieder los. Aber der Arzt sagte nur: »Ruhig, wenn ich untersuche …«, und Schlieker war ruhig.
    »Nicht weiter gefährlich«, meinte Doktor Kimmknirsch abschließend und legte lange Streifen Heftpflaster dachziegelförmig über die Schliekersche Brust. »In drei Wochen ist das wieder heil. Drei Rippen gebrochen und zwei angebrochen. Die ersten Tage liegen Sie am besten auch im Bett, und Schweres tragen, wie Säcke, ist natürlich ausgeschlossen …«
    »Herr Doktor, ich hab doch ’nen Hof, ich muß doch Vieh versorgen«, sagte Schlieker, jetzt ganz demütig bettelnd.
    »Ich hab’s Ihnen schon gesagt, Herr Schlieker, ich verordne, Sie tun, was Sie wollen. Im übrigen werden Sie ja wohl einen Menschen im Dorf finden, der Ihnen die paar Tage zur Hand geht …«
    »Im Dorf?! In Unsadel?!« höhnte Schlieker. »Da kommt keiner zu mir!«
    »Keiner?« fragte der junge Arzt und sah seinen Patienten nachdenklich an.
    »Keiner, Herr Doktor«, antwortete Päule und grinste dabei, als freue er sich, daß Unsadel so sei, wie es sei.
    »Sie ahnen ja nicht, wie schlecht die Menschen bei uns sind«, sagte die Frau heftig, und ihr blasses, trostloses Gesicht wurde böse.
    »So«, sagte Doktor Kimmknirsch nur. »So. Nun schreibe ich Ihnen noch Ihr Attest. – Sie wollen es fürs Gericht?«
    »Und ob ich das will! Gleich von hier gehe ich zum Amtsgerichtsrat, und Haussuchung bei dem Hund muß heute noch sein! Glauben Sie, ich lasse ihm die kleine Thürke?«
    »Die Thürke?« fragte der Arzt erstaunt und dachte an sein Mittagsgespräch im »Erbherzog«. »Ich habe gehört, die ist mit einem alten Manne nach Berlin durchgebrannt?«
    »Nach Berlin –?« sagte Schlieker verächtlich und für ihn war mühelos jetzt weiß, was am Morgen noch gnitterschwarz gewesen war. »Die Thürke sitzt in Unsadel versteckt beim Bauern Gau, der mich so zugerichtet hat, und heute abend hat sie sogar meiner Frau zwei Kleider gemaust …«
    »Sie hat sie aber …«, wandte Frau Schlieker ein.
    »Halt’s Maul!« schrie Schlieker.
    »Nicht so laut«, sagte der Arzt. »Überhaupt sollten Sie in nächster Zeit Ihre Frau nicht so anbrüllen – wenn es überhaupt sein muß … Hier ist Ihr Attest.«
    »Danke auch schön, Herr Doktor. Was macht es?«
    »Drei Mark«, sagte der junge Arzt und dachte, daß er mit diesem Honorar seine Praxis lieber nicht eröffnet hätte.»Übrigens wird Herr Amtsgerichtsrat Schulz jetzt nicht zu Haus sein.«
    »Weiß doch, weiß doch, Herr Doktor. Ich kenn doch Kriwitz. Sitzt im ›Erbherzog‹. Und dahin fahren wir jetzt. Guten Abend, Herr Doktor.«
    »Guten Abend«, sagte der Arzt und knipste hinter seinen ersten Patienten das Deckenlicht wieder aus.
    Es war jetzt Zeit, zum Abendessen in den »Erbherzog« zu gehen. Doch einen Augenblick dachte Doktor Kimmknirsch daran, lieber nach Frau Bimm zu klingeln und sie um ein Glas Tee und ein paar Butterbrote zu bitten, um in aller Abendstille und Sammlung diesen bösartig bissigen Fuchs mit seiner kummervollen, aber zum mindesten ebenso bösen Elster zu verdauen.
    »Aber warum eigentlich?« dachte er dann. »Ob ich die Schleicherei wirklich noch einmal im ›Erbherzog‹ sehe oder nicht, kann mir doch egal sein. Und die Verhandlung selbst wird Schulz ja nicht grade in der Gaststube führen.«
    Also zog er den Mantel an, rief halblaut über den Flur: »Ich bin in einer halben Stunde zurück, Frau Bimm«, und trat auf die Straße.
    Es war ein dunkler, trüber, feuchter Herbstabend mit ein wenig Nebel. Der Doktor ging gemächlich durch die fast ganz dunklen Straßen seinem Ziel zu und summte dabei gedankenvoll das Lied von der Holzauktion vor sich hin.
    Doch grade als er den Straßendamm kurz vor seinem Ziel überquerte, schoß aus Dunkel und Nebel ein düsteres Ungetüm auf ihn zu. Kimmknirsch wollte zur Seite springen, das Ungestüm sprang zur Seite. »Halt!« schrie Kimmknirsch überlaut und ganz unnötig, denn schon bekam er einen fürchterlichen Stoß vor Magen und Brust und stürzte rücklings auf das Pflaster.
    Neben ihm prasselte, knirschte und stürzte es dumpf, zwei weitere Stimmen schrien – und die alten Laternenfingen in besorgniserregender Weise vor Kimmknirschs Augen auf ihren Pfählen zu tanzen an.
    Eine Weile später war er sich bewußt, daß eine junge weibliche, ein wenig spröde Stimme etwas zu ihm sagte. »Sehr angenehm«, murmelte er, noch

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