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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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wie »Bello«.) Aber alles blieb still.
    Die Nacht war vorüber, doch die Kinder waren nicht zurückgekehrt, er war noch immer allein. Der Professor stand auf, ging zur Tür und öffnete sie, aber draußen war weiter nichts als die Waldwiese mit reichlich Tau und mancherlei Gezwitscher. Sonst nichts.
    Als er sich aus der Sonne wandte, schien das alte Waldhaus noch grauer und kälter, ohne Kinder und ohne Feuer; und es war doch noch gar nicht lange her, da war es solch behagliche, warme, freundliche Zuflucht gewesen!
    Der Gedanke an Feuer kam ihm, Holz lag genug da, auch Streichhölzer fand er – und während er eifrig am Kamin wirtschaftete, dachte er sogar an Kaffee, an die selbständige Zubereitung von Kaffee – ein gradezu vermessener Plan! Wie würden die Kinder sich freuen, wenn er sie mit einem warmen Getränk begrüßte!
    Doch die groben Holzscheite, die er ohne Vermittlung von Kien und Spänen nur mit einem Streichholz entflammen wollte, weigerten sich, ihm dienstbar zu sein – und als er vier-, fünfmal an seinen Fingerspitzen erfahren hatte, daß solch Streichholzflamme zwar für ein Scheit zu schwach, für menschliches Fleisch aber zu heiß ist, ließ eralles fallen und sah nachdenklich in den Raum, ohne etwas zu sehen.
    Er hätte sonst bemerken müssen, daß auf dem Tischchen dort mit Butter, Brot und Wurst genug für ein einfaches Frühstück lag, viel mehr, als das sehr deutliche Hungergefühl in seinem Magen verlangte. Aber da es mit dem Feuer und also mit dem Kaffee nichts geworden war, konnte es überhaupt nichts mit Frühstücken werden, schloß er und verfiel mit diesem Schluß einem weitverbreiteten Irrtum der Menschen, die da, weil sie nicht alles haben können, das Vielerlei, das ihnen bleibt, nicht sehen wollen …
    Jetzt hatte der Professor sich entschlossen, den Kindern entgegenzugehen, und sei es selbst bis Unsadel. Außer Wärme und Frühstück vermißte er noch etwas. Es war seltsam, hätte er hier jetzt behaglich und bei guter Ernährung an seiner Offenbarung arbeiten können – es wäre ihm zu still gewesen, er wäre den Kindern doch entgegengegangen!
    Also! Der Professor säuberte sich gründlich, setzte seinen weichen, großen Pastorenhut auf, zog den faltenreichen, weiten schwarzen Mantel an und betrachtete einen Augenblick unschlüssig die schwarze Reisetasche – aber er ging den Kindern ja nur ein Stück entgegen! Seine Bibel steckte er freilich doch in den Mantel, von ihr sich zu trennen schien unmöglich. Nun noch einen letzten Blick durch den Raum – und fort ging er.
    Die Waldblöße empfing ihn mit mehr Sonne und mehr Vogelgetön, die bunten Buchen sahen freundlich auf ihn hinab; wo der Weg nach Unsadel in den Wald ging, das wußte der Professor ganz genau – und so konnte er denn rüstig ausschreiten.
    Der hohe Buchenwald umgab ihn mit viel Unterholz von Himbeeren, Brombeeren, Dornbüschen. Der schmaleFußpfad schlängelte sich leicht und freundlich, mit elastischem Boden, hügelan, hügelab.
    »Wie gut!« dachte der Professor. »Es ist doch wirklich gut …«
    Er sah hierhin und dorthin, manchmal gab es einen Durchblick auf den See; einmal auch einen Eichkater, der die Bucheckernjagd um seinetwillen unterbrach und ihn von einem niedrigen Zweige mit seinen blanken schwarzen Augen neugierig ansah. Der Professor Kittguß war hochgemuter, freundlicher Stimmung, es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte gesungen! Das ausgebliebene Frühstück war vergessen, und nicht das leiseste Erinnern an den nächtlichen Traum quälte ihn …
    »Es sind alles recht gute und freundliche Kinder«, dachte er zufrieden. »Aber über Nacht hätten sie doch nicht fortbleiben sollen«, gab eine andere Stimme zu bedenken. »Nun, wer weiß, wie sie es gewöhnt sind«, tröstete die erste. »Auf dem Lande genießt man mehr Freiheit.«
    So ging er und ging. Und nicht einmal das Gehen wurde ihm beschwerlich, denn hinter jeder Biegung oder jedem Busch konnten ja die beiden vor ihm auftauchen, mit ihrem Hunde – und er freute sich herzlich auf dieses Wiedersehen!
    Freilich hatte der Professor über all seiner Freude und allem Hin- und Herschauen versäumt, sich den Fußpfad anzusehen, auf dem seine Füße gingen. Zu Anfang war das ein einigermaßen begangener, braunerdiger Waldsteig gewesen, aber seit einer bestimmten, aus vielen Stämmen zusammengewachsenen Riesenbuche, die er staunend betrachtet hatte, war es nur noch ein moosiger, von raschelnden Blättern bedeckter Pfad. Längst gab es keinen

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