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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Ausblick mehr auf den See, eigenwillig, immer wieder die Richtung wechselnd, wand sich der Steig Hänge hinauf,über Hügelkuppen in dichte Fichtentäler, in denen es fast dunkel war …
    Aber – wie gesagt – der Professor war viel zu froher Stimmung, hierauf groß zu achten. Er wanderte dahin, wanderte langsam und gemächlich, aber unermüdlich dahin. Wenn der Wald in der Ferne heller wurde, freute er sich schon auf Unsadel und die Kinder. Und wenn es dann eben nicht Unsadel, sondern ein Stück lichter Hochwald war, freute er sich auch daran.
    Das ging, so lange es ging. Dann aber stand vor seinem Weitermarsch ein Gatter auf, ein zwei Meter hoher Wildzaun, und der lief nun, so weit ihm das Auge zu folgen vermochte, talab, talauf, durch die bunte, leise sausende Einsamkeit. Zum ersten Male fragte der Professor sich zweifelnd: »Sollte ich mich vielleicht verlaufen haben –?«
    Und als hätte er auf diesen ersten Zweifel nur gewartet, meldete sich auch sofort der Hunger wieder, es meldeten sich die müden Glieder, und die zweite Stimme in ihm sprach rechthaberisch: »Sie hätten eben doch nicht über Nacht aus dem Haus bleiben sollen! Dann müßtest du nicht hier im wilden Wald umherirren!«
    Der Professor sah hin und her, her und hin, aber der Zaun stand wie eine Mauer, und wenn er nicht hier im tiefen Walde bleiben wollte, so mußte er sich für rechts oder links entscheiden.
    Der Professor ging nach rechts, und da sah er denn schon nach hundert Schritten, daß eben doch über dies hohe Wildgatter fortzukommen war. Es gab da nämlich eine kleine Treppe, die ziemlich steil am Zaun hoch und drüben auf der andern Seite wieder hinab ging. Keine Stadttreppe natürlich, sondern so ein Waldüberstieg, wie ihn die Förster benutzen, gradezu gesagt: eine Hühnerleiter, aus rohen Fichtenstangen zusammengehauen.
    Der Professor sah die Leiter zweifelnd an, daß sie dawar, war ihm schon recht, aber daß sie
so
da war, paßte ihm wieder nicht …
    Was war zu tun? Der Weg am Gatter entlang schien ihm so unsympathisch, er war überzeugt, daß es ein Irrweg war. Also mußte er klettern …
    Der Professor kletterte hoch …
    Es ist schon ein Entschluß für einen alten Mann, der sich sein Lebtag auf der platten Erde bewegt hat, wenn er sich ganz körperlich dem Himmel näher bringt, und der nahe, bekannte Boden wird weltenfern und fremd. Der Professor hatte noch keine vier Sprossen erstiegen, da kam ihn der Schwindel an. Und dazu ächzte und knackte die Leiter, und der Zaun, dessen Pfosten wohl angefault waren, schwankte leise knarrend …
    »Ich fliege, ich falle«, dachte Professor Kittguß bei geschlossenen Augen. Und kletterte doch, vorsichtig mit den Füßen tastend, weiter.
    Jetzt aber half es nichts mehr, er mußte die Augen öffnen, denn hier, ganz oben, war es mit allem Halt vorbei, jetzt mußten die Beine über den Zaun gehoben werden, auf die erste Leitersprosse drüben …
    Er tat es, langsam und unendlich vorsichtig, dicht um ihn waren die bunten Buchenzweige, und die Vögel flogen so nah, und der durchsonnte blaue Himmel schaukelte sich so nah … Ein Bein auf der einen, ein Bein auf der andern Seite stand der Professor Gotthold Kittguß da … Der Zaun wiegte und schwankte leise unter ihm, wie die bunten Zweige sich im Winde wiegten und schwankten …
    Und von seinem erhöhten Standort sah der Professor weit in das Land, über Wälder und Felder …
    Ihm war es plötzlich, als stehe er auf der Kanzel, und wenn ihm damals in seinen milchjungen Tagen der Predigttext manche Schwierigkeit gemacht hatte, hier fiel ihm gleich der sanfte heilige Franziskus ein – und er, der seinLeben in einer grauen Steinstadthöhle verbracht hatte, hörte nun mit rechten Ohren den freundlichen Lobgesang von meiner lieben Schwester, der Quelle, und vom Bruder Wind: von der Gemeinschaft alles Lebenden. Und er hätte in diesen Lobgesang mit einstimmen können, ohne textliche Vorbereitung, doch aus vollem Herzen …
    So stand er da und schaute, und daß er durch eine Waldschneise, gar nicht weitab, rote Dächer um eine Kirche geschart sah und also sein Ziel Unsadel recht sichtbar vor Augen zu haben meinte, berührte ihn in diesen Minuten nicht einmal sonderlich. Tief unter ihm schwankten die kleinen Gräser, nahe waren die schönfarbigen Blätter …
    »Ach, ihr guten Kinder«, fühlte er. »Die Rosemarie hat ja ganz recht. Ich muß euer Pflegevater werden, aber nicht in der Stadt Berlin, sondern hier auf dem friedlichen Lande. Und dieses

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