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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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das buntgewürfelte Tischtuch, klammerte es fest, dann kamen Kaffee, Ei, Sahne und Zucker, Butter und Brot, Marmelade und Salz.
    Der Professor sah zufrieden den nahrhaften Aufmarsch an und sagte freundlich zur Wirtin: »Ein schöner Tag. Ein rechtes Gotteswetter.«
    »Es müßte regnen«, sagte die Wirtin unzufrieden. »Fürs Land ist es zu trocken. Aber Sie sind wohl nicht vom Lande!«
    Der Professor klopfte sein Ei an, antwortete »Nein« und sagte, daß er »eigentlich« aus Berlin sei.
    »Aus Berlin? Nein, so was! Sommer vor zwei Jahren waren hier in Lüttenhagen auch mal Berliner, die sahen jeden Tag den Kaiser von ihrer Wohnung. Kennen Sie den Kaiser auch?«
    »Nein, nein«, lächelte der Professor, trank den ersten Schluck Kaffee und aß den ersten Happen Brot mit einer ganz unbegreiflichen Freude. »Ich habe den Kaiser noch nie gesehen.«
    Aus Berlin und ihn nicht gesehen – das war ja wohl nicht möglich! Das Gesicht der Wirtin bekam etwas ganz Abschätziges. »Dann sind Sie wohl gar nicht richtig aus Berlin –?!«
    »Doch! Doch!« sagte der Professor beruhigend. »Aber Berlin ist viel größer, als Sie sich vielleicht vorstellen können.«
    Doch die Wirtin war nicht zu belehren, die vor zwei Jahren hätten ihn alle Tage gesehen, und gar so was Feines seien sie auch nicht gewesen. Sie sah ihren Gast prüfend an, und der freundliche alte Herr gefiel ihr nicht mehr so wie im Anfang. Sie entdeckte etwas Falsches in seinem Blick.
    Der Professor freilich merkte nicht, daß die Wirtin ihm wegen seiner Unbekanntschaft mit dem Kaiser böse war.Er fragte freundlich weiter, wie lange man denn von hier bis Unsadel gehe?
    »Nach Unsadel?! Was wollen Sie denn da? Da gibt’s doch nur Bauern!«
    »Ich will mein Patkind besuchen«, erklärte der Professor.
    »So? Und da reisen Sie von Berlin über Lüttenhagen nach Unsadel? Komische Leute gibt es!«
    Sie schnaufte ungläubig und verächtlich durch die Nase, gab aber schließlich doch Auskunft, daß es drei Stunden seien, wenn er den Waldweg finde, aber fünf auf der Landstraße über Kriwitz. Damit zog sie sich in ihre Gaststube zurück und ließ den Professor allein bei seinem Frühstück.
    Dem war es nur recht. Er aß langsam mit einem ganz ungewohnt frischen Hunger, sah dabei immer wieder einmal über den kleinen Dorfplatz, und der weite Weg, den er noch zu gehen hatte, bedrückte ihn keinen Augenblick.
    Dann war er fertig und saß noch ein Weilchen zögernd vor seinem abgegessenen Frühstücksgeschirr. Es war ihm so, als habe er noch etwas zu tun, aber welchen Weg er einschlagen müßte, das würde ja im Dorf zu erfahren sein, von einem Menschen oder einem Wegweiser. So stieg er denn langsam und bedächtig die beiden Stufen von der blaugelben Veranda hinunter, überquerte den Dorfplatz und wollte grade in die nächste Häuserzeile einbiegen, als ihn ein grelles, durchdringendes Geschrei erschreckte.
    Er drehte sich um, und da kam zeternd aus dem eben verlassenen Gasthaus die Wirtin gestürzt … und eine alte grauhaarige Frau … und ein schnauzbärtiger Mann mit einem Reiserbesen …, und um die drei rufenden, schreienden, hastenden Gestalten tanzte aufgeregt kläffend ein weißer Spitz.
    Der Professor sah sich um, sah sich um, aber Platz undGasthaus sahen so friedlich aus wie nur je … Doch da war auch die wilde Jagd schon bei ihm, und zu seinem äußersten Erstaunen merkte er, daß er, der Professor Gotthold Kittguß, mit all diesem Lärm gemeint war.
    »Sie –! Sie –!!!« schrie atemlos die Wirtin und packte ihn fest am Mantelärmel, als könne er, der doch keinen Schritt zur Flucht gemacht hatte, ihr jetzt entlaufen. »Sie –!« keuchte sie. »Und wo ist das Geld –?!!«
    »Geld –? Welches Geld –?!«
    »Seht doch –!« schrie sie fast dramatisch und gar nicht ohne Erfolg, denn schon zeigten sich da und dort, sachte näher tretend, Menschen. »Nach dem Geld fragt er! Das Geld für das Frühstück –! Oder kriegt man Frühstück in Berlin geschenkt?!«
    »Hören Sie, Herr«, sagte der schnauzbärtige Mann und schwang drohend seinen Reiserbesen. »Wir hier in Lüttenhagen lassen uns nicht wippen!!«
    Aber nun, da der Professor wußte, um was es ging und daß der ganze Aufstand gewissermaßen natürlich war, überkam ihn wieder die neue heitere Lebensfreude. »Rich tig !« sagte er friedlich. »Das Geld für das Frühstück! Das habe ich doch wirklich wieder einmal vergessen! Sie müssen entschuldigen«, lächelte er dem schon größer werdenden Kreis

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