Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
freundliche Licht, von dem Wald und Himmel leuchten, das habt ihr ja auch, ihr beiden, selbst du, armer Philipp – und wenn ihr dann durch das Haus lacht und singt, so fällt vielleicht auch auf meine Arbeit ein ander Licht, dieses Licht …«
    Eben war es noch die Vikariatskanzel gewesen, und nun war der Zauntritt schon das Lehrpult am Königlichen Prinz-Joachim-Gymnasium zu Berlin-Schöneberg an der Grunewaldstraße. All die jungen Knabengesichter sahen erwartungsvoll zu ihm auf, und er versuchte, sie sanft und behutsam in den Geist der Schrift einzuführen, in ein werktätiges Christentum. Wie war er von diesem Wege doch so weit abgekommen?! Unter dem sachte schaukelnden Herbsthimmel wurde das gemütliche, stille Gelehrtenzimmer in der Akazienstraße zu dem, was es war, zu einer grauen, dunklen Höhle der Eigensucht und der Unfruchtbarkeit.
    Jeder hat einmal eine Stunde, da er in einer reineren, klareren Luft zu atmen meint, da die Welt kristallklar erscheint,alle Probleme und Sorgen versinken und ein erhöhtes Lebens- und Kraftgefühl die Brust weitet.
    Der Professor stieg wieder vom Zaun hinunter, aber innerlich blieb er oben. Das leise Wiegen und Schaukeln saß ihm im Körper und ging mit ihm, als er die Schneise zum erschauten Dorf hinabschritt.
    Es war doch noch ein ganzes Stück Weg, bis er aus dem Walde kam und inmitten seiner Felder das Dorf liegen sah. Daß dieses Dorf weder Unsadel noch die Stadt Kriwitz war, das sah er nun doch, denn es gab hier keinen See und keinen Bahnhof. Aber in seiner jetzigen glücklichen Stimmung bekümmerte ihn das gar nicht.
    Am Eingang des Dorfes stand eine Tafel: Dorf Lüttenhagen. Landratsamt Prenzlau. Wehrkreiskommando Prenzlau. Königreich Preußen
    Der Professor nickte mit dem Kopf, zufrieden und beifällig, und zufrieden und beifällig hielt er seinen Einzug. Alles freute ihn: Enten wie Hühner, ein Kettenhund, der ihn böse anblaffte, und ein kleines, dickes, strohköpfiges Kind, das ihn, einen Finger im Munde, zwischen Lachen und Weinen aus seinen braunen, kugelrunden Augen anstarrte.
    Nun erweiterte sich die Dorfstraße zu einem kleinen, von Linden umstandenen Platz, und da war es nun wirklich nicht schwer zu sehen, daß das Haus gradezu mit der gelb und blau gestrichenen Veranda das Gasthaus war, das Haus rechts aber, mit Efeu und Geißblatt, das Pastorenhaus. Wieder aber das langgestreckte, graue Haus zur Linken, mit den im unteren Drittel weißgekalkten Fensterscheiben, das Schulhaus.
    Da es jede Minute zu haben war, war es gar nicht mehr eilig mit dem Frühstück. Nein. Professor Kittguß ging nun erst einmal zum Schulhaus und stellte sich horchend unter die Fenster. Drinnen tönte und sang eine Geige, nunfielen die Kinderstimmen ein und es erklang: »O Täler weit, o Höhen, du schöner, grüner Wald …«
    Der alte Professor lächelte selig und trat eilig mit dem Fuß den Takt, und nun summte auch er: »Du meiner Lust und Wehen andächt’ger Aufenthalt. Da draußen, stets betrogen, saust die geschäft’ge Welt …«
    Und als er nun näher trat, die Geige suchend, kam er unter ein Fenster, dessen Scheiben nicht gekalkt waren, und siehe, da stand der Lehrer, ein alter, grauhaariger Mann, die Geige unter dem Kinn. Er sah den Horcher und Mitsinger und nickte lächelnd, eifrig mit dem Fuß den Takt tretend, und der Professor trat draußen auch eifrig mit dem Fuß den Takt und winkte mit der Hand den Gruß zurück.
    Das Lied war verklungen mit den schönen, verheißungsvollen Worten: »So wird mein Herz nicht alt …« – die Kinder, die Geige und der alte Mann unter dem Fenster hatten es gesungen. Und wie ein rechter Träumer, aber ein glücklicher, ging der Professor über den Platz zum Gasthof, fand dort auch gleich die Wirtin, eine rundliche junge Frau, und bestellte sich einen Kaffee und ein Ei. Ja, auch Brot und Butter. Gewiß, auch Marmelade würde nicht schlecht sein. Und bestimmt wollte er nicht drinnen sitzen in der dunklen Gaststube, sondern draußen auf der Veranda in der Sonne.
    So saß er denn draußen, die Sonne wärmte, der Gesang der Kinder klang fern und unkenntlich wie leichtes Vogelgezwitscher. Ein leiser Windstoß wehte ein rotes Weinblatt auf seinen Tisch, da lag es einen Augenblick zitternd wie ein Schmetterling, der seine Flügel hebt. Und ein anderer Windstoß hob es hinaus, über das blaugelbe Balkongeländer, auf den Platz, zu den Gefährten, den andern Wein- und Lindenblättern, mit denen es über den Platz tanzte.
    Die Wirtin brachte

Weitere Kostenlose Bücher