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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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gelassen, Sie Wüstling, Sie?!«
    Der Professor stand angedonnert da, ein verlorenes, ungläubiges Lächeln auf dem Gesicht.
    »Ergreift und haltet ihn, Leute!« befahl Frau von Wanzka. »Dieser Mensch ist ein gesuchter Verbrecher und ins Gerichtsgefängnis Kriwitz abzuliefern. Unter meiner Bedeckung natürlich.«
    Der Professor lächelte groß und mild von ferne her.

16. KAPITEL
    Worin Rosemarie nicht wie Amtsgerichtsrat Schulz will, aber Doktor Kimmknirsch hilft
    Die Vorhänge hingen gelblichwarm vor den Fenstern, Frau Postdirektor Bimm »cremte« sie, wie es jede brave Hausfrau Anno 1912 tat. Das Mädchen sah schläfrig vom Sofa zu ihnen hin, es dehnte und streckte sich. Nun lag siestill auf dem Rücken und sah mit offenen Augen zur Decke, auf der ein heller Sonnenfleck zitternd spielte. Das Haus war still, Rosemarie mochte noch so sehr lauschen: kein Laut von nebenan, kein Laut vom Flur. Wie spät mochte es sein? Wann stand man hier auf? Mußte sie schon aufstehen?
    Es war herrlich, so zu liegen, während draußen schon die Sonne schien, und keine böse Stimme trieb zur Arbeit, aber …
    Aber nun kam auf einmal alles zurück, was der tiefe, traumlose Schlaf in ihr ausgelöscht hatte … Mit einem Ruck saß sie und lauschte, jetzt ganz wach. Wiederum nichts, kein Laut, kein Schritt … keine Klage …
    Doch es litt sie nicht mehr, schon war sie hoch, ging zögernd an die Zwischentür, klopfte leise: nichts. Sie lauschte, klopfte wieder: nichts. Vorsichtig drückte sie auf die Klinke, leise öffnete sie die Tür Zentimeter um Zentimeter, schob den Kopf spähend in den Spalt …
    Und hier war das Arztzimmer in aller Weiße und Sauberkeit, erfüllt vom Licht des sonnigen Oktobermorgens; aber – das Sofa, wo Philipp gelegen hatte, war leer!
    Es war so und es blieb so, soviel sie auch schauen mochte: Philipp war fort! »Doch ins Krankenhaus!« dachte sie, und anklagende Trauer erfüllte ihr Herz. »Ins Krankenhaus, während ich schlief …«
    Ein Geräusch ließ sie zusammenfahren. Ihr grade gegenüber war eine zweite Tür, eine Tür genau wie ihre, und genau wie eben bei ihr senkte sich dort leise und vorsichtig die Klinke. Gespannt starrte Rosemarie. Jetzt bewegte sich die Tür, knarrte, hielt an, ging weiter auf, knarrte stärker … Und es war so spannend zu sehen und abzuwarten, was da wohl zum Vorschein kommen würde, daß Rosemarie gar nicht daran dachte, den eigenen Kopf zurückzuziehen.
    Drüben erschien erst etwas Schwarzes, Gekräuseltes, mit Jettperlen und schwarzem Flitter. Dann ein wenig weißlichgraues, sauber gescheiteltes Haar. Dann Stirn, Wange, Nase, Mund – und nun spähte der ganze Kopf von Frau Postdirektor Bimm, genau wie auf Rosemaries Seite Rosemaries Kopf, in das Ordinationszimmer.
    Dunkle, kalte Augen sahen nach dem Fenster. Dann nach dem Schreibtisch, nun nach dem Sofa, nun rückten sie, den Instrumentenschrank passierend, und jetzt trafen die kleinen, schwarzen Augen Rosemaries Blick!
    Kein Zusammenfahren. Kein Erschrecken. »Damenbe such ?« flötete die Stimme drüben. »Junge Mädchen in Herrn Doktors Schlafzimmer?! Ich muß mich wohl wegen der Störung entschuldigen, Fräulein?!«
    Ihr ganzes Gesicht ist ein süßes Lächeln, und die kleine, schwarze Witwenflitterhaube blinkert und glänzt wie ein böser Basiliskenblick. Rosemarie starrt wie gebannt, und der Sinn der Worte kommt ihr nur ganz vage zu Bewußtsein.
    »Aber nicht in meinem Hause, Fräulein, nein. Ich liebe so etwas nämlich nicht, nein, wenn ich auch keine Pastorentochter bin wie Sie, Fräulein … oje …«
    Jetzt sieht sie nur noch böse aus, bösartig und giftig. »Mit dem alten Herrn ist es wohl schon wieder vorbei? Der Steckbrief soll ja heute mittag in die Zeitung kommen, nicht –?«
    »Na, was denn?« fragt eine kräftige Männerstimme von der dritten Tür her, von der Tür zum Flur, und die beiden Frauen fahren zusammen.
    Doktor Kimmknirsch kommt, frisch und braun, mit hellen Augen in die Mitte des Zimmers. »Guten Morgen, Frau Direktor. Guten Morgen, Fräulein Thürke. Frau Direktor, in zwanzig Minuten etwa wird Herr Amtsgerichtsrat Schulz hier mit Fräulein Thürke und mir frühstücken.Also, Ihr bewährter Kaffee, in verbesserter Gestalt, und sonst – eben alles, was Sie können. – Fräulein Thürke, ich habe Ihnen auch was mitgebracht! (Der Philipp fühlt sich bei Frau Stillfritz wie im siebten Himmel und wird wieder ganz heil. Soweit ich sein Gestammel verstehen konnte, läßt er Sie grüßen.) Also hier

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