Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
eine vielsagende Handbewegung.
Luma zuckte zusammen und dachte an die Geschichte von den abgeschnittenen Ohren und an die rigorosen Regeln, die er aufstellte.
Er ehrt Frauen,
hatte Bagnak erzählt. Das ist Kerus Art und Weise, mich zu ehren, sagte Luma sich, und dennoch lagen ihr seine Worte wie kleine, kalte Steine im Magen:
Heirat; Brautpreise; Ehemänner; zack!
Sie versuchte zu lächeln, um ihm zu zeigen, daß sie seine Liebe zu schätzen wußte, ganz gleich, wie seltsam er sie zum Ausdruck brachte, aber ihr Lächeln geriet etwas schief. Je länger er sprach, desto merkwürdiger kam er ihr vor.
Er merkte es nicht. Spielerisch strich er ihr mit einem Finger über die Stirn und tippte ihr auf die Nasenspitze. »Wir werden wohl warten müssen, bis euer Haar wieder nachgewachsen ist, bevor ich Ehemänner für dich und Keshna finde. Aber ich werde euch gut verheiraten, darauf könnt ihr euch verlassen. Wir werden euch natürlich erst gründlich schrubben müssen. Für dich« – er zwinkerte Keshna zu – »werde ich einen gutaussehenden Krieger finden, der keine anderen Ehefrauen hat, und für dich« – er kitzelte Luma freundlich unter dem Kinn – »einen Häuptling. Aber im Moment«, fügte er mit einem mißbilligenden Zungenschnalzen »dürfte es äußerst schwierig sein, euch an den Mann zu bringen, weil ihr, ehrlich gesagt, wie zwei Säue ausseht, die sich im Schlamm gesuhlt haben.«
Luma warf Keshna über Kerus Schulter einen Blick zu, in der Erwartung, Bestürzung und Empörung auf ihrem Gesicht zu finden. Statt dessen lachte Keshna laut, als habe sie schon immer damit gerechnet, daß Keru sie bei ihrem Wiedersehen als Sau bezeichnen und ihr auf der Stelle anbieten würde, sie zu verheiraten. Da Keshna ungefähr ebenso erpicht darauf war, ihr Bett mit einem Mann zu teilen wie mit einer ganzen Armee von Ameisen, lachte sie entweder nur, damit Keru seinen Willen hatte, oder sie war zu verwirrt, um zu wissen, was sie tat. Keshna begegnete Lumas Blick, und für einen kurzen Moment – so flüchtig, daß es Luma beinahe entgangen wäre – senkte Keshna die Augen.
Sieh hinunter,
besagte die Geste. Luma blickte hinunter und sah, daß Keshna ihr mit der rechten Hand ein warnendes Zeichen gab.
Sei vorsichtig.
Sie bewegte hastig die Finger in Gebärdensprache.
Laß mich mit ihm fertig werden. Ich kenne seine Art.
Luma wollte Keshna zu verstehen geben, daß sie Keru wahrscheinlich sehr viel besser kannte, aber da er sie direkt ansah, wagte sie es nicht, auch nur einen Finger zu bewegen.
Keshna ließ ihre Hand lässig in den Schoß sinken. »Keru«, rief sie. »Gib es lieber auf und erspar dir die Blamage: Du wirst niemals einen Ehemann für mich finden.«
Er wandte sich grinsend zu ihr um. »Warum nicht?«
»Weil kein Mann imstande ist, mich zu zähmen. Ich sehe wie ein Krieger aus, weil ich ein Krieger bin. Wenn der arme Tölpel versucht, mich zu besteigen, packe ich ihn am Hals, fessele ihm die Hände auf dem Rücken und lasse ihn von einem Baum baumeln. Wenn er versucht, seinen schlappen kleinen Schwanz in mich zu stecken, dann beiße ...«
»Keshna!« schrie Luma schockiert.
»... dann beißt du ihn ab!« soufflierte Keru, der das ungeheuer witzig zu finden schien. Er stieß Luma mit dem Zeigefinger gegen die Brust. »Ich hoffe, du bist nicht auch eine Schwanzbeißerin, Schwester. Sonst müßte ich Onkel Changar womöglich bitten, dir die Zähne zu ziehen.«
Bei der Erwähnung von Changar erstarrte Luma innerlich zu Eis. Diese ganze Unterhaltung nahm eine höchst beunruhigende Wendung. Sie wünschte, sie hätte irgendeine Möglichkeit, um Keshna dazu zu bringen, den Mund zu halten. Sie hatten Keru nicht mehr gesehen, seit er sechs Jahre alt war. Merkte Keshna denn nicht, wie sehr er sich verändert hatte? Wenn sie weiterhin so prahlte und obszöne Scherze machte, würde sie ihn womöglich verärgern. Er hatte sie zwar mit Zuneigung begrüßt, aber er war ein Nomadenkrieger; bewaffnet und vollkommen unberechenbar. Wenn dies Keshnas Vorstellung von der richtigen Methode war, um mit ihm »fertig zu werden«, dann lag sie so völlig daneben wie mit allen anderen dummen, verrrückten Ideen, auf die sie jemals gekommen war.
Luma starrte Keshna finster an und versuchte, die Unterhaltung auf ein unverfänglicheres Thema zu lenken. »Kaykay«, sagte sie ruhig. »Ich weiß dein Angebot, einen Ehemann für mich zu suchen, wirklich zu schätzen; aber ich brauche keinen. Ich habe bereits einen Partner.«
Kerus
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