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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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neben sie und nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Wer bist du?« rief er aufgeregt. »Ich kenne deine Stimme. Sag mir, wer du bist! «
    »Ich bin Luma, Tochter von Marrah«, erwiderte sie. Sie fühlte keine Furcht, als er sie berührte, und dennoch zitterte ihre Stimme, denn sie wußte jetzt, wer er war: Sie konnte es an seinen dunklen Augen erkennen, an der Form seiner Hände, an dem festen energischen Kinn, an seinen Lippen, die soviel Ähnlichkeit mit ihren eigenen hatten.
     

16. KAPITEL
    »Lupula!«
    »Kaykay!« Luma streckte die Hand aus und berührte sein Gesicht, fühlte seinen gelockten rötlich-blonden Bart unter ihren Fingern, zeichnete die Blitze nach, die die Nomaden ihm auf die Wangen tätowiert hatten, streichelte sein eckiges Kinn, das so sehr an Stavans erinnerte. Sie wollte ihm sagen, daß sie ihn liebte, daß sie ihn schmerzlich vermißt hatte und daß kein Tag vergangen war, an dem sie nicht an ihn gedacht hatte; aber die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Statt dessen brach sie in Tränen aus. Keru tätschelte ihr unbeholfen den Rücken.
    »Lupula, Lupula«, murmelte er, »zerfließ mir nicht wie Schnee in der Sonne.« Er bot ihr seine Ärmel an, damit sie sich die Nase daran abwischen konnte; einen feinen Ärmel, schmutzstarrend und schweißdurchtränkt vom langen Reiten. Luma putzte sich die Nase, lachte und zog eine Grimasse, und Keru klopfte ihr abermals linkisch auf den Rücken, als sei sie aus Lehm und er müsse sie durch ein paar Püffe wieder zurechtformen.
    »Habe ich dich verletzt?« fragte er. Sie schüttelte den Kopf und ignorierte den stechenden Schmerz in ihrem Knöchel. Er schien erleichtert. »Ich hätte ganz bestimmt nicht versucht, dich zu töten, wenn ich gewußt hätte, wer du bist.« Er befingerte einen der goldenen Ringe in seinen Ohrläppchen, legte den Kopf schief und grinste. »Ich habe dich und Keshna für Spione gehalten.« Sein Mund verzog sich zu dem alten, gewinnenden Lächeln, jenem Lächeln, das die Menschen immer zu ihm hingezogen hatte, als er ein kleiner Junge war. Es breitete sich auf seinem Gesicht aus wie die Strahlen einer Sonne, die hinter einer dunklen Wolkenbank hervorkommt.
    »Es ist wirklich zum Totlachen, nicht? Wir treffen uns nach all diesen Jahren wieder, und als erstes versuchen wir uns gegenseitig umzubringen. Wirklich ein Witz. Die Götter müssen sich köstlich amüsieren. Aber mach dir keine Sorgen wegen des Messerstichs, den du mir versetzt hast.« Er zeigte auf eine weißliche Narbe an seinem Hals. »Hier. An dieser Stelle bin ich im letzten Frühling von einem Pfeil getroffen worden. Das Ding hatte mich glatt durchbohrt, von einer Seite zur anderen. Und bin ich daran krepiert? Nein. Hab mich im Handumdrehen wieder erholt. ›Hart im Nehmen‹, so sagen sie über den alten Keru.« Er faßte sich mit einer Hand an die Schulter und hielt Luma seine Handfläche hin, um ihr einen schmierigen Blutfleck zu zeigen. »Du hast mir nur einen Kratzer beigebracht, Schwester. Deswegen brauchst du keine Tränen zu vergießen. Nichts weiter als eine Fleischwunde, ein Moskitobiß, ein Dornenstich. Überhaupt nicht der Rede wert.«
    Alles, was er sagte, war nüchtern und freimütig, sehr kriegermäßig, aber die sharanischen Worte kamen ihm etwas schwerfällig über die Lippen. Erschrocken über den Anblick seines Blutes hörte Luma auf zu weinen. Keru war so unsentimental, daß es regelrecht beunruhigend war.
    »So ist es besser!« Er klopfte ihr aufmunternd auf den Rücken. »Keine Tränen mehr! Lächle, Schwester. Lächle und freu dich. Ich wußte, daß du zu mir kommen würdest, wenn es Zeit für dich würde, verheiratet zu werden! Und da bist du nun, Mädchen!« Er versetzte ihr abermals einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken, warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend, als er sah, welche Bestürzung seine Worte auslösten.
    »Aber warum hast du dir den Kopf kahlgeschoren? Und warum hat Keshna das gleiche getan? Und all diese Stammessymbole.« Er schnalzte mißbilligend mit der Zunge. »Ich sehe, daß diese Tätowierungen nur aufgemalt sind, Han sei Dank, aber ihr beide seht aus wie ...« Er grinste breit. »... wie Männer.« Er hob die Hand und rieb grob mit den Fingerknöcheln über Lumas Kopf. »Der Brautpreis für kahlköpfige Frauen ist nicht besonders hoch, Schwester, aber versteh mich nicht falsch: Ich werde nicht dulden, daß dich irgendein Mann beleidigt. Eine ungehörige Bemerkung über meine Schwester, und
zack!«
Wieder

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