Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
du zufällig Kersek? Ich bin wie ausgedörrt, nachdem ich mich durch diesen Shjetak von einem Sumpf geschleppt habe.«
Keru lachte, offensichtlich amüsiert darüber, wie meisterhaft sie auf hansi fluchen konnte. »Du trinkst also Kersek, wie?«
»So gut wie jeder andere«, prahlte Keshna. »Ich garantiere dir, mein Junge, daß ich dich jederzeit unter den Tisch trinke. Ganz zu schweigen davon, daß ich dir im Fluchen, Schießen, Ringen und Reiten haushoch überlegen bin.«
»Wie steht's mit Ficken?«
»Auch darin«, erwiderte Keshna und versetzte ihm abermals einen jovialen Schlag auf die Schulter. »Du machst einen schlappen Eindruck auf mich, Keru. Schwächlich, verweichlicht, krafkrafthos ein neugeborenes Kalb. Ich dagegen bin so stark wie eine wilde Stute. Mit meinen Schenkeln kann ich Walnüsse knacken. Wenn du versuchen würdest, zwischen meine Beine zu kriechen, würde ich dich glatt in zwei Hälften zerbrechen.«
Er lachte schallend, sah jedoch höchst interessiert aus. »Du prahlst wie ein Krieger.«
»Ich hab dir doch gesagt, ich bin einer. Der beste, dem du je begegnet bist. Halb Stute, halb Hengst, mit dem Herzen einer Löwin und den Augen eines Habichts.« Sie schlug sich an die Brust. »Laß dich von diesen Brüsten nicht auf den irrigen Gedanken bringen, ich wäre weich. Ich habe beinharte Muskeln unter dieser Tunika, und ich kann besser mit einem Dolch werfen als du.«
Keru schnaubte amüsiert. »Das bezweifle ich.«
»Ach, tust du das? Na schön, dann laß uns eine Wette abschließen.« Sie zeigte auf eine kleine Weide. »Ich wette, daß ich diesen Baum treffen kann und du nicht. Nur um die Sache noch schwieriger zu machen, werde ich hinübergehen und einen der Zweige zu einem Kreis biegen. Dann komme ich wieder hierher zurück und werfe meinen Dolch geradewegs durch ein Loch, so klein, daß ein Eichhörnchen darin steckenbleiben würde.«
Bei der Erwähnung einer Wette leuchteten Kerus Augen auf. »Und was ist der Wetteinsatz?« fragte er.
»Mein Schlachtroß gegen deines.«
Er stieß einen leisen Pfiff aus. »Das ist aber ein hoher Einsatz. Ein so prächtiges Pferd wie meines findet man nur sehr selten.« »Meines ist noch besser.« Sie standen auf.
Plötzlich erkannte Luma, was Keshna vorhatte. Sie zwang Keru, sie wie eine Gleichgestellte zu behandeln. Es gab nichts, was Nomadenkrieger mehr liebten als Glücksspiele, aber sie wetteten niemals mit Frauen. Wenn Keshna Keru dazu brachte, mit ihr um sein Schlachtroß zu wetten, würde er sie auch weiterhin wie einen Mann behandeln müssen oder Gefahr laufen, zum allgemeinen Gespött zu werden. Statt Keshna für einen ansehnlichen Brautpreis an irgendeinen Krieger zu verkaufen, würde Keru mit ihr verhandeln oder – falls die Dinge wirklich unangenehm wurden –gegen sie kämpfen müssen. Es war ein brillanter Plan, ein Plan, der Keshna eine Freiheit gestattete, die Luma bereits verloren zu haben schien, und das nur, weil sie Kerus Schwester war.
»Und wo ist dein berühmtes Schlachtroß?« wollte er wissen. »An einer Stelle versteckt, wo selbst du es nicht finden wirst, Cousin.«
»Meine Kundschafter haben den dürren Klepper wahrscheinlich schon aufgespürt, ihn getötet, um ihn von seinem Elend zu erlösen, und sein wertloses Fleisch an ihre Hunde verfüttert.«
»Dann haben sie das prachtvollste Schlachtroß südlich der Steppe umgelegt. Gilt unsere Wette nun, oder gilt sie nicht?«
Keru blickte Keshna beifällig an. »Sie gilt«, erklärte er. Kaum waren die Worte über seine Lippen gekommen, flitzte Keshna auch schon davon, um einen Weidenzweig zu einem Kreis zu biegen. Sie kehrte zurück und wischte sich in übertriebener Manier die Hände ab. Sie sagte Keru noch einmal, daß er im Begriff war, sein Schlachtroß zu verlieren, dann blickte sie auf das Ziel, visierte es sorgfältig an, warf ihren Dolch und verfehlte es vollkommen.
Sie stieß eine Serie von Hansi-Flüchen aus, die so obszön waren, daß Keru sie erstaunt anstarrte. »Du bist dran«, fauchte sie. »Und möge Han deine Hand lähmen! «
Keru warf ihr einen langen, nachdenklichen Blick zu. Dann zuckte er die Achseln, ging zu dem Baum, hob den Dolch auf und kehrte zurück. Luma fiel auf, daß er sich die Mühe machte, denselben Dolch zu benutzen wie Keshna. Mein Bruder ist ein fairer Mann, dachte sie, und wieder begann sie zu hoffen, daß es vielleicht doch noch nicht zu spät war, um ihn zu retten.
Keru hob den Dolch über seine Schulter und schleuderte ihn mit
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