Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
Vom Netzwerk:
und er würde etwas leichter atmen können, aber zuerst mußte sie die Wollfäden aus der Wunde klauben.
    Sie wandte sich zu Urmnak und Chamnak um. Sie würde ihre Hilfe brauchen, und es wurde Zeit, die beiden ein wenig zu ermutigen. »Danke, daß ihr euch um meinen Bruder gekümmert habt«, sagte sie in ihrem besten Hansi. »Ihr habt große Geistesgegenwart bewiesen, aber nachdem ich mir die Wunde jetzt angesehen habe, müssen wir sie säubern und frisch verbinden, und zwar mit etwas, das ein bißchen haftbarer ist.« (Und das weniger dazu geeignet ist, ihn umzubringen, fügte sie in Gedanken hinzu.)
    »Aber wir haben sie doch schon gesäubert«, erklärte Urmnak. »Er hatte schreckliche Schmerzen, deshalb sind Chamnak und ich zu Changars Zelt gegangen und haben etwas Mohnsirup geholt und in seinen Wein getan. Und dann haben wir die Schnittwunde mit warmem Wasser und Pferdepisse ausgewaschen.« Ihr Mund verzog sich zu einem stolzen Lächeln. »Changar wollte den Frauen in diesem Lager nicht erlauben, die Heilkunst zu lernen, aber ich habe den alten Bastard heimlich beobachtet, wenn ich in sein Zelt ging, um seine Mahlzeiten zu kochen.«
    Luma biß die Zähne zusammen und fragte sich, wie viele Generationen von Nomadenkriegern wohl schon durch solche gutgemeinten, aber völlig falschen Behandlungsmethoden ins Jenseits befördert worden waren. Es wurde immer schlimmer! Man flößte einem Mann, der unter starken Atembeschwerden litt, keinen Mohnsirup ein – es sei denn, man wollte ihn in einen tiefen Schlaf versetzen, aus dem er womöglich nie wieder aufwachte. Und ganz bestimmt säuberte man eine offene Brustverletzung nicht mit Pferdeurin. Aber es war nicht der geeignete Zeitpunkt, um Urmnak einen Vortrag darüber zu halten, was sie falsch gemacht hatte.
    »Das ist ja alles schön und gut«, erwiderte Luma, »trotzdem müssen wir die Wunde noch einmal säubern, nachdem ich den Verband entfernt habe. Ich brauche frischen Wein, der nicht mit Mohnsirup vermischt ist, ein bißchen Fett, ein weiches Stück Stoff und einen Lederflicken, ungefähr so groß.« Sie bildete mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. »Könntet ihr mir diese Dinge bitte so schnell wie möglich bringen?«
    Die Frauen sagten, sie würden ihr gerne alles bringen, was sie benötigte, und eilten davon. Bald kehrten sie mit den Dingen zurück, um die sie gebeten hatte. Luma nahm das Verbandmaterial dankend entgegen und machte sich daran, den Schaden zu reparieren, so gut sie konnte. Zuerst wusch sie Kerus Wunde mit Wein und zupfte alle Wollfäden heraus, die sie sehen konnte. Als sie das Loch so gut wie möglich gesäubert hatte, schmierte sie Bärenfett um die Wunde herum und klebte den Lederflicken darauf. Es war ein letztes saugendes Geräusch zu hören, als das Leder sich mit dem Fleisch verband. Sie horchte angestrengt auf irgendein Anzeichen dafür, daß der Flicken das Loch nicht richtig verschloß, und dann, als sie sich vergewissert hatte, daß diese Gefahr nicht bestand, wickelte sie ein paar Leinenstreifen um Kerus Brust, um den Flicken an Ort und Stelle zu fixieren.
    Bis sie fertig war, hatte der Mohnsirup seine Wirkung entfaltet, und Keru war eingeschlafen. Nachdem sie den Verband ein letztes Mal verknotet hatte, hockte Luma sich auf die Fersen zurück und flüsterte Keru eine Weile ermutigende Worte ins Ohr. Sie sagte ihm, daß sie ihn liebte und daß er wieder gesund werden müsse, damit sie gemeinsam nach Shara zurückkehren und ihre Mutter sehen würden. Schließlich, als sie überzeugt war, daß er schon ein wenig leichter atmete, entschied sie, daß es schädlicher für ihn wäre, ihn aufzuwecken, statt ihn seinen Mohnrausch ausschlafen zu lassen.
    Luma erhob sich – was ziemlich mühselig und schmerzhaft war, denn ihre mit Blutergüssen übersäten Glieder waren inzwischen kalt und steif geworden. Als sie sich umdrehte, sah sie Chamnak und Urmnak hinter sich stehen. Die beiden hatten zugeschaut, wie sie Kerus Wunde versorgt hatte, und Luma konnte an dem Ausdruck auf ihren Gesichtern erkennen, daß sie fasziniert waren von den wenigen, simplen Dingen, die sie getan hatte. Trotz der dummen Fehler, die die beiden gemacht hatten, waren sie wahrscheinlich geborene Heilerinnen, und Luma dachte, was für eine Verschwendung es war, daß sie wohl niemals eine Chance haben würden, es herauszufinden.
    Sie wischte sich die Hände an ihren Beinlingen ab und holte tief Luft. Jetzt war es für sie an der Zeit, eine Reise zu machen. Es war zwar

Weitere Kostenlose Bücher