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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Steppe waren Macht, Gewalt und Liebe untrennbar miteinander verbunden, und Männer und Frauen hatten seit Generationen Krieg gegeneinander geführt. Hiknak hatte diese feindselige Einstellung mit in den Süden gebracht und an Keshna weitergegeben. Es war ein finsterer Krieg, der im verborgenen stattfand, ein Krieg, den zu führen Keshna nicht zuzugeben bereit war.
    »Ich betrachte mein Spiel mit Kandar ganz einfach als Übung, wie Bogenschießen oder Ringen«, fuhr sie in betont unbekümmertem Tonfall fort.
    »Das ist gemein.«
    »Gemein oder nicht, wenn Kandar vor Begierde halb verrückt ist, redet er so viel, daß ich alles, was ich über die Nattern wissen will, herausbekomme, ohne auch nur zu fragen. Ganz zu schweigen davon, daß ich, wenn ich ihn umgarne, nicht aus der Übung komme, so daß ich – falls ich wirklich jemals daran interessiert sein sollte, einen Mann in mein Bett zu locken –, noch weiß, wie man so was macht. Außerdem mußte ich irgendwas zu tun haben, während wir darauf warteten, daß der Boden friert.«
    Luma seufzte. »Ich geb's auf.« Sie versetzte Keshna einen leichten Schlag gegen die Brust. »Ich dachte immer, du hättest ein Herz da drin, aber ich habe mich geirrt.«
    »Ich habe durchaus ein Herz«, erwiderte Keshna, »aber es ist Freundschaft darin, nicht Liebe. Wo wir gerade von Freundschaft sprechen, wir beide haben noch eine kleine Aufgabe zu erledigen. Morgen um diese Zeit werden wir schon zu nahe am Nomadenlager sein, um noch Feuer machen zu können, deswegen müssen wir den Leim heute noch schmelzen, bevor wir weiterziehen.«
     
    An dem Abend nach Lumas und Keshnas Unterhaltung saßen fünf Jungen und elf Nomadenkrieger um ein großes Feuer und wärmten die Sohlen ihrer Stiefel, während sie schimmeligen Käse und eine Art steifen Pudding aus gekochtem Blut und zu Pulver zerstoßener Minze verzehrten. Die Jagd war zur Abwechslung einmal erfolgreich gewesen, und das Blut für den Pudding stammte nicht von ihren eigenen klapperdürren Rindern, sondern von einem Bären, den sie eine Woche zuvor in seiner Winterhöhle in die Enge getrieben hatten. Tagelang hatten sich sämtliche Lagerbewohner an Bärenfleisch und frischer Leber gütlich getan, und die jüngeren Kinder waren herumgelaufen und hatten zufrieden an kleinen Stücken Bärenspeck gelutscht. Bald würden die Krieger auch noch um Halsketten aus Bärenklauen und einen warmen Umhang aus Bärenpelz spielen können, wenn die Frauen erst einmal damit fertig waren, die lederne Unterseite des Fells zu gerben und mit Pferdeurin zu präparieren.
    Der Abschuß des Bären war das Beste, was den Nomaden vom Grünen Strom seit langem passiert war. Einst waren die sieben Familien, die am Nordufer des Grünen Stroms kampierten, stolze Mitglieder eines großen Stammes der Zaxtus gewesen, angeführt von einem berühmten Häuptling namens Turthan. Aber Turthan und die meisten seiner Krieger waren bei der Belagerung von Shara ums Leben gekommen, getötet von dem Fluch des Schlangenvogels, und die überlebenden Zaxtusi waren in Panik geflohen und in alle Himmelsrichtungen auseinandergelaufen. Die alte Blutlinie war so gründlich ausgelöscht worden, daß kein Mann mehr einen rechtsgültigen Anspruch auf die Häuptlingswürde der Zaxtusi erheben konnte. Für die Nomaden vom Grünen Strom spielte das jedoch keine Rolle, da der Stamm der Zaxtusi schon seit gut zehn Jahren nicht mehr existierte.
    Auch die Nomaden vom Grünen Strom kämpften um ihre Existenz. Wären sie in die Steppe zurückgekehrt, wären sie von größeren, mächtigeren Stämmen vernichtet worden; aber selbst hier in den Mutterländern überlebten sie nur mit knapper Not. Die elf Krieger fochten untereinander erbitterte Kämpfe aus und waren ständig im Begriff, sich in noch kleinere Gruppen zu spalten. Im Moment erfreuten sie sich zwar einer gewissen Eintracht unter der Führung eines dreißigjährigen, einäugigen Kriegers namens Lrankhan, aber wie lange dieser Frieden anhalten würde, ließ sich unmöglich voraussagen. Lrankhans Anspruch auf die Häuptlings-würde gründete sich hauptsächlich auf seine Geschicklichkeit im Umgang mit der Garotte, einer alten Zaxtusi-Waffe, die zur Zeit nicht besonders beliebt war. Um eine Garotte richtig zu gebrauchen, mußte ein Mann Mut und Schnelligkeit besitzen, weil er dicht an den Feind heranreiten mußte, um ihm die Würgeschlinge um den Hals zu werfen. Lrankhan war sowohl mutig als auch schnell, doch darüber hinaus reichte seine

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