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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Priesterkönigin von Shara war, eine Rede voller vernichtender Bemerkungen über Keshnas Ungestüm und Lumas Mangel an Weitblick. Sie hatte sie ausgefeilt, während sie Nacht für Nacht wach-gelegen hatte, halb wahnsinnig vor Angst um ihre Tochter und das Kind ihres Bruders; doch als sie jetzt sah, wie glücklich und stolz Luma und Keshna waren, erstarben die strengen Worte auf ihren Lippen, und sie breitete nur lächelnd die Arme aus.
    »Batal sei Dank, daß Sie euch wohlbehalten zurückgebracht hat«, sagte sie, als sie zuerst Keshna und dann Luma umarmte. Sie vergoß sogar einige Tränen, teils aus Freude, teils weil sie fühlte, wie hart und muskulös Lumas Arme geworden waren. Marrah begriff, daß Luma jetzt eine Kriegerin war und daß sie alle anderen Träume, die sie gehabt hatte – etwa den, ihre Tochter möge Priesterin werden –, nun endgültig würde begraben müssen.
    Selbst Ranala war versöhnlicher Stimmung. Sie öffnete die Mäuler der Schlachtrösser und inspizierte ihre Zähne, spähte ihnen in die Ohren, hob die Beine an, betrachtete ihre Hufe und tätschelte sie liebevoll am Rumpf. Dann nahm sie Luma den sirrenden Bogen aus der Hand, spannte einen Pfeil ein und ließ ihn geradewegs in die Sonne hinaufsausen. Als er wieder auf die Erde herunterfiel – dunkel, schnell und in der Ferne fast unsichtbar –, wandte sie sich zu Luma und Keshna um.
    »Willkommen im Verband der Schlangen«, sagte sie.
     

7. KAPITEL

    In der ukrainischen Steppe

    Die Gefilde des Himmelsreiches, die sich über der schneebedeckten Steppe ausdehnten, waren so blau und riesig und grenzenlos, daß der Sonnengott selbst in ihrer leuchtenden Einförmigkeit verloren schien. Langsam ritt Gott Han auf Seinem weißen Pferd aus weißem Feuer über den Himmel gen Westen, während Er auf die Zelte seines Volkes herabblickte und erbarmungslos über seine Geschöpfe richtete. Im Osten, wo Er jeden Tag damit begann, das Sternenvieh in seinen Korral zurückzutreiben, lagerten noch immer große Stämme an den Ufern der vereisten Flüsse. Ihre Häuptlinge waren mächtig und grausam, ihre Frauen unterwürfig, ihre Herden so zahllos wie Sandkörner. Wenn die mächtigen Stämme im Osten Han, den Gott des Leuchtenden Himmels, verehrten, färbte sich der Schnee rot vom Blut der getöteten Stuten und Hengste. Sie opferten Ihm gefangengenommene Feinde, ungehorsame Konkubinen, treulose Ehefrauen, und manchmal – in trockenen Jahren, wenn das Gras verdorrte und die Flüsse fast versiegten –, brachten sie Ihm sogar ihre neugeborenen Söhne als Opfer dar.
    Aber wenn Gott Han nach Westen blickte, umwölkte sich Seine Stirn, und er fühlte das dumpfe Brodeln gerechten Zorns, das stets
    132 darin gipfelte, daß Er heulende Schneestürme entfesselte. Die früher so mächtigen alten Stämme im Westen waren zerstört worden, ihre großen Häuptlinge waren tot, ihre Krieger in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Die Zelte der Hansi, der Xarkabai und der Zaxtusi, einst wie eine Kette aus Wolfszähnen über die gesamte Ebene verstreut, duckten sich jetzt im Schnee wie erbärmliche Häufchen verschrumpelter Pilze. Kleine Verbände von Kriegern, angeführt von starken Männern, die sich großspurig Häuptlinge nannten, lieferten sich erbitterte Kämpfe um die Überreste der großen Herden oder ritten nach Süden in die Mutterländer, um wie Aasgeier zu plündern und Beute zu machen. Einige bauten befestigte Lager im Wald und versteckten sich unter dem dunklen Dach der Bäume vor dem zornigen Blick ihres Gottes. Andere fingen an, die Lebensgewohnheiten der Mutterleute zu übernehmen, wurden schlaff und weibisch, wühlten in der Erde nach Nahrung, statt darüber hinwegzugaloppieren und ruhmreiche Schlachten zu schlagen, und verloren sowohl ihre Mannhaftigkeit als auch den Geschmack am Krieg. Einige knieten sogar vor Statuen der Göttin Erde und brachten ihr Opfergaben dar, und wenn Han Seine Krieger goldene Ketten auf die Altäre von Chilana oder Batal legen sah, erfaßte ihn ein solcher Zorn, daß Er sich vollends von seinem Volk abwandte und es mit heftigen Stürmen strafte, die wie eine kreischende Horde wahnsinniger Geister aus dem Norden herunter-brausten.
    Als Changar in seinem Zelt saß und auf das Heulen des Windes horchte, fühlte er eine übelkeiterregende Bitterkeit in seiner Kehle aufsteigen. Mit jedem Tag wurde er älter, und mit jedem Tag sah er – dank der weinerlichen Feigheit seines Volkes – seine Hoffnung, Shara zu zerstören, weiter

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