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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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einen Handstandüberschlag zu machen, ganz zu schweigen davon, daß Kandar glauben wird, ich bin zu verrückt, um mit ihm nach Shamban zu segeln, wenn ich anfange, wie ein Fisch in einer heißen Pfanne herumzuhopsen. Deshalb mache ich dir einen anderen Vorschlag: Wenn Kandar ›ja‹ sagt, gehe ich hinter das Gebüsch dort drüben, als müßte ich austreten, dann hocke ich mich hin und winke dir zu.«
    »Das ist zwar nicht annähernd so interessant, aber ich schätze, es wird gehen.« Keshna berührte Lumas Stirn mit zwei Fingern. »Ich wünsche dir viel Glück. Möge Batal dich auf deiner Reise nach Shamban beschützen, und mögest du deinen Bruder lebendig und wohlauf wiederfinden.«
    »Du lieber Himmel, bist du heute morgen aber fromm«, sagte Luma forsch. Sie blickte Keshna voller Zuneigung an und dachte, daß sie sich vielleicht lange Zeit nicht wiedersehen würden. »Du bist diejenige, die den Schutz der Göttin braucht. Ich möchte nicht an deiner Stelle sein: Du mußt den ganzen weiten Weg nach Shara allein zurückreiten und dabei noch ein zweites Pferd am Zügel führen. Übrigens, wenn du dort ankommst, gib Shalru in Clarahs Obhut und sag ihr, sie soll gut für ihn sorgen, solange ich fort bin.« Clarah war das nächstjüngere Mitglied der Nattern. Sie war groß – natürlich nicht annähernd so groß wie die beiden –, aber größer als die anderen Frauen im Nattern-Verband. Keshna witzelte oft, Clarah sei groß genug, um dieselbe Luft zu atmen wie sie und Luma, und manchmal neckte Keshna Luma damit, daß sie und Clarah sich auf vierzig Schritt Entfernung so ähnlich sähen, daß nur Marrah sie auseinanderhalten könne.
    »Das wird für große Verwirrung sorgen, wenn Clarah Shalru reitet ...« begann Keshna, doch Luma legte ihr hastig einen Finger auf die Lippen. »Keine Witze mehr«, sagte sie. »Nicht jetzt.« Sie beugte sich vor und drückte Keshna einen flüchtigen Kuß auf die Wange. Dann saß sie ab und wanderte den Hügel hinunter auf das Dorf zu.
    Keshna band die Pferde im Schatten an und setzte sich auf den Boden, um zu warten. Sie sah nicht, wie Luma mit Kandar sprach, aber nach einer Weile beobachtete sie, wie Luma das Dorf verließ, hinter das verabredete Gebüsch ging, sich niederkauerte und winkte. Keshna winkte zurück, obwohl sie wußte, daß Luma sie nicht sehen konnte. Dann schwang sie sich auf den Rücken ihrer Stute und machte sich auf den Rückweg nach Shara, Shalru führte sie am Zügel neben sich her.
    Sie war in ziemlich bedrückter Stimmung, und da beide Pferde müde waren und es keinen Grund zur Eile gab, ließ sie sich viel Zeit. Sie wußte, sobald sie nach Shara zurückkam, würden Ranala und Marrah ihr bei lebendigem Leib das Fell abziehen, weil sie Luma geholfen hatte, nach Shamban zu verschwinden. Natürlich würden sie das nicht wirklich tun. Jemandem die Haut abzuziehen war die Art der Nomaden. In Shara würde niemand die Hand gegen sie erheben, doch sie würde reichlich scharfe Worte zu hören bekommen, um ihr am Abend ihrer Heimkehr das Essen damit zu würzen. Diesmal ist es wahrscheinlich wirklich soweit, daß ich aus dem Nattern-Verband fliege, dachte Keshna. Und dann dachte sie voller Trotz, daß ihre Freundschaft mit Luma wichtiger war als Gehorsam und daß alles, was Luma so glücklich machte, diesen Preis mehr als wert war.
    Dennoch war sie nicht sonderlich darauf erpicht, Ranala und Marrah gegenüberzutreten, deshalb ritt sie in gemächlichem Tempo und brauchte für die Strecke, die sie und Luma in zwei Tagen zurückgelegt hatten, vier Tage. Manchmal legte sie lange Pausen ein, um müßig im Gras zu sitzen und auf nichts Besonderes zu starren – auf die Wellen, die an den Strand schlugen und wieder zurückrollten, oder auf die Wipfel der Bäume, die im Wind hin-und herschwankten –, und mehr als einmal ritt sie mitten am hellichten Tag in ein Wäldchen, legte den Pferden Fußfesseln an und streckte sich im Gras aus, um ein Nickerchen zu machen.
    Während eines jener Mittagsschläfchen, als sie friedlich im warmen Frühlingssonnenschein lag und träumte, ritt ein großes Nomadenüberfallkommando so dicht an ihrem Versteck vorbei, daß sie niemals lebendig nach Shara zurückgekehrt wäre, wenn sie im Schlaf plötzlich aufgeschrien oder wenn eines der Pferde gewiehert hätte. Aber Keshna hatte einen gesunden Schlaf, und die Pferde, satt vom frischen Frühlingsgras, standen, als die Krieger vorbeigaloppierten, nur träge da und schlugen mit den Schweifen, um

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