Althars Wolkenhort
linken Hand von sich zu reißen. Ebenso gut hätte er versuchen können, Draht zu zerreißen.
Nottr erkannte die Gefahr und durchtrennte die Ranke mit der Klinge des Krummschwerts.
Mythor hatte keine Zeit, sich zu bedanken. Jeder Gedanke, sich bis zum Turm durchzuschlagen, war vergessen. Er wirbelte herum und sah sich in einem sich schnell schließenden Vorhang aus Ranken und Lianen gefangen.
Dahinter war Sadagars Gesicht zu erkennen, der ihm etwas zurief. Jedenfalls schien es so, doch kein Wort drang an Mythors Ohr.
Von allen Seiten schossen die Schlingen auf die beiden Eingeschlossenen zu. Es waren Hunderte, und sie schienen sich geradewegs aus dem Nichts herauszubilden.
»Jetzt kämpfe, Nottr!« schrie Mythor, plötzlich nicht mehr sicher, ob der andere ihn noch hörte. Aber der Anblick des Skeletts reichte aus, um alle Kräfte in beiden Männern zu mobilisieren. Zu deutlich sahen sie, was ihnen bevorstand, wenn sie sich nicht aus dieser heimtückischen Falle befreien konnten.
Von der anderen Seite her durchtrennte Sadagar die Ranken mit seinen Messern. In jeder Hand hielt er eines. Rücken an Rücken mit Nottr hieb Mythor auf die herankriechenden Ranken ein, soweit es ihre eingeschränkte Bewegungsfreiheit zuließ. Immer wieder mussten sie die grünen Schlingen durchtrennen, die sich um ihre Beine legen wollten. Mythor hörte Nottr schwer atmen, und auch er selbst spürte die ersten Anzeichen nahender Erschöpfung. Endlich hatten sie wieder eine freie Zone von einem Schritt um sich geschaffen. Der Schweiß lief in Strömen an ihnen herunter.
Mythors Klinge traf einen der roten Stränge. Nottr schrie auf und riss den Freund gerade noch rechtzeitig an den Schultern zur Seite, bevor die rote Flüssigkeit aus dem wild peitschenden Strangende ihn treffen konnte.
Kostbare Augenblicke vergingen. Die Ranken wuchsen nach.
Wieder waren die Schwerter der Freunde in Bewegung. Sadagars Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt. Mythor gewann an Boden. Plötzlich sah er, wie Nottr den freien Arm mitten ins Dickicht hineinsteckte und mit einem Ruck etwas daraus hervorzog. Mythor sah das Schwert, das in der Hand des Skeletts gesteckt hatte. Nottr wollte seinen Arm mit der Waffe zurückziehen, doch schon hatten sich zwei Schlingen darum gelegt.
»Achte nicht auf mich, Mythor!« schrie Nottr. »Kämpfe weiter!« Der Barbar aus den Wildländern durchtrennte die Schlingen mit dem Krummschwert. Er zog den Arm mit einem Ruck zurück.
Sadagar war schon zur Stelle, als Nottr ihm die Waffe des Toten durch den grünen Vorhang zuschob.
Schließlich, am Rande der vollkommenen Erschöpfung, sahen Mythor und Nottr ihre Chance. Sie sprangen am Steinmann vorbei. Hinter ihnen schoben sich die Ranken ineinander, wobei knisternde und ächzende Geräusche entstanden.
Benommen taumelten die knapp einem schrecklichen Tod Entronnenen auf Kalathee zu, die sie mit vor Entsetzen geweiteten Augen erwartete. Sadagar musste Nottr stützen, obwohl dieser sich mit Händen und Füßen dagegen zu wehren versuchte.
»Und jetzt?« fragte der Steinmann, als Mythor und Nottr wieder einigermaßen zu Atem gekommen waren.
Mythor wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Haare klebten ihm strähnig im Gesicht. Dort, wo sich die Ranke um seinen Hals geschoben hatte, war die Haut leicht gerötet.
Der rote Ball der Sonne war im Westen längst hinter den Spitzen der hohen Tannen versunken. Und es wurde immer kälter.
»Wir werden für die Nacht ein Feuer brauchen«, murmelte Mythor, den Blick grimmig auf den umrankten Turm gerichtet. Plötzlich nickte er. »Ein Feuer, ja. Es hat hier tagelang nicht geregnet. Das herabgefallene Laub und die Nadeln sind staubtrocken. Die Schlinggewächse selbst können wir nicht anzünden, aber.« Er sah Nottr an.
»Wir müssen soviel trockenes Laub wie möglich sammeln und um den Turm herum verteilen. Du hast noch Feuersteine, Nottr?«
Der Barbar aus den Wildländern grinste. »Mehr als genug. Der Bauer war freigebig.«
Wieder nickte Mythor heftig. Seine Brust hob und senkte sich unter schweren Atemzügen.
»Kalathee und Sadagar, ihr könnt uns helfen. Geht dort zu den Eichen und Birken und sammelt Laub! Nottr, wir beide werden ein paar Bäume fällen.«
»Das ist eher nach meinem Geschmack, als gegen Dämonenpflanzen zu kämpfen!«
»Dämonenpflanzen?«
»Natürlich. Es müssen Dämonen in ihnen stecken, sonst.«
»Du weißt, dass das Unsinn ist, Nottr! Jeder Dämon aus der Dunkelzone würde wahrscheinlich nicht
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