Althars Wolkenhort
Steinmann kam nicht mehr dazu, seine gefährlichen Waffen aus dem Gürtel zu ziehen.
»Lass den Unsinn!« dröhnte eine tiefe Stimme im Eingang. Zwei gespannte Bogen waren das erste, was die Gefährten sahen. Zwei Pfeilspitzen, die auf ihre Köpfe gerichtet waren.
Die beiden Bogenschützen drangen Seite an Seite in die Halle ein. Sadagar streckte gut sichtbar beide Hände weit von sich. Nottr starrte die Caer mit weit aufgerissenem Mund an. Die Hand mit dem Schwert bebte. So wild das Feuer auch in ihm brannte, er war klug genug, seine Chancen für einen Überraschungsangriff abzuschätzen. Er hatte keine.
Weitere Caer drangen mit Schwertern und Speeren in den Wolkenhort. Sie umstellten Nottr und Sadagar, während die Bogenschützen abwartend vor ihnen stehenblieben.
»Nehmt ihnen die Waffen ab!« dröhnte die raue Stimme vom Eingang her. Nottr versuchte vergeblich, den Mann zu erkennen, dem sie gehörte.
Sadagar ließ sich widerstandslos die Messer aus dem Gürtel ziehen. Nottr schleuderte einem Caer das Schwert vor die Füße.
Dann trat der Anführer der Caer in die Halle. Ein großer, kräftiger Mann in einer schweren Rüstung. In der einen Hand hielt er ein Schwert, mit der anderen einen schweren Schild. Zweifellos ein Ritter, dachte Nottr, der versuchte, einen Überblick zu behalten. Und er kam ihm bekannt vor. Hatte er ihn nicht schon einmal gesehen, wenn auch aus großer Ferne?
Die Bogenschützen traten zur Seite, als sich Coerl O'Marn breitbeinig vor den beiden Männern aufbaute. Das Visier des Helmes war bis zu den zerrupften Adlerfedern zurückgeschoben. Ein gegerbtes, hartes Gesicht von tiefbrauner Farbe sah den Überraschten entgegen.
Coerl O'Marn lächelte grimmig. »Also täuschte ich mich nicht«, sagte er dann. »Ihr müsst die sein, deren Beschreibung ich von meinen Kriegern erhielt. Ihr habt an der Seite von Königin Elivara gegen uns gekämpft, bevor wir Nyrngor nahmen.«
»Nyrngor! Ja!« schrie Nottr, von seinem blinden Zorn überwältigt. »Aber ihr freut euch zu früh. Königin Elivara...« Nottr verstummte, als er Sadagars warnenden Blick auffing. »Ihr werdet nicht lange Spaß an der Stadt haben«, sagte er darum.
Seine Gedanken überschlugen sich. Dieser Mann vor ihm musste Coerl O'Marn sein, jener legendäre Ritter, der die Invasoren von Caer befehligt hatte. Oft hatten die Gefährten seinen Namen gehört. Sie hatten versucht, sich ein Bild von diesem Ritter zu machen, aber nun, da er leibhaftig vor ihnen stand, sahen sie all ihre Vorstellungen weit übertroffen.
Nyrngor gehörte der Vergangenheit an. O'Marn war zweifellos hier, um den Wolkenhort für Caer und damit für die Mächte der Finsternis zu erobern. Nur darum ging es jetzt. Und darum, dass Mythor sich nichtsahnend in den oberen Räumen befand.
Der Ritter schien den gleichen Gedanken zu haben. »Macht euch keine Hoffnungen«, sagte er. »Vor dem Turm warten weitere zwanzig Krieger. und Drundyr, den ihr kennen solltet. Für euch gibt es von hier kein Entkommen. Aber meine Krieger sprachen von vier Fremden, die ihnen das Leben schwergemacht hatten. Auch Drundyr sah einen vierten bei euch.« Kurz wanderte O'Marns Blick über die Wände der Halle, kurz musterte der Ritter Kalathee, die immer noch auf dem Stuhl saß und sich nicht rührte. Sie wirkte völlig geistesabwesend und stellte offensichtlich keine Gefahr dar. »Er nannte den Namen Mythor.«
O'Marns Miene verfinsterte sich. »Wo ist euer Freund Mythor?«
Drundyr hat uns also verraten! durchfuhr es Nottr. Wie der Priester hierhergelangt war und den Wolkenhort gefunden hatte, war ihm zwar ein Rätsel, aber er konnte sich zusammenreimen, was danach geschehen war, und glaubte auch zu wissen, warum Drundyr seinen Triumph nicht persönlich auskostete, sondern draußen wartete.
Nur nicht zur Treppe hinsehen!
O'Marn schlug mit der flachen Klinge gegen Nottrs Brust. Der Schlag war ansatzlos geführt, doch von solcher Wucht, dass Nottr einen Schritt zurücktaumelte. Ein Caer stieß ihn wieder nach vorne.
»Antworte!«
»Er ist draußen«, kam es schnell von Sadagar. »Ihr habt ihn verpasst. Sucht nach ihm, wenn ihr ihn.«
Mitten in seinen Satz hinein drangen wieder die unheimlichen Laute von oben.
O'Marn grinste schwach, als er zur Treppe und dem dunklen Rechteck in der Decke sah. Einige Krieger hatten sie bereits umstellt.
»Draußen ist er also«, dröhnte O'Marns Stimme durch die Halle. »Du brauchst seinetwegen nicht zu lügen. Euer Held ist dort oben, um nach dem
Weitere Kostenlose Bücher