Altherrensommer
Geschiedene gibt es ganze Buchhandlungen voll Ratgeber.
Von den mit betroffenen Omas und Opas redet keiner. Wie es ist, »Eltern des Ex« zu sein oder gar »verstoßene« Großeltern zu werden, wenn die Schwiegertochter oder der Schwiegersohn den Kontakt zu den Enkeln unterbindet – davon reden zwei, drei kleine private Selbsthilfegruppen, sonst niemand. 83 Es gibt nämlich im deutschen Scheidungsrecht keinen verbrieften Anspruch der Enkel auf Kontakt zu ihren leiblichen Großeltern.
Mit »sozialen« Enkeln könnten auch jene Kurzen gemeint sein, deren gestresste Eltern dankbar sind für lebenserfahrene ältere Leute in ihrem Freundeskreis oder in eigens dafür geschaffenen Netzwerken: Knapp 100.000 »Studierende mit Kind« gab es 2011 84 , mehrheitlich natürlich
Student innen , und so versucht der Katholische Deutsche Frauenbund KDFB seit 2008, in Universitätsstädten Paten-Großeltern zu finden, die befristet und unentgeltlich »Uni-Kinder« betreuen. Für ein paar Stunden am Tag nur, aber bisweilen wochenlang während wichtiger Klausuren oder Examina. In einigen evangelischen Landeskirchen vermitteln die Besuchsdienste, die Frauenhilfe, die diakonischen Familienberatungsstellen oder private Initiativen »Leih-Omas« schon länger – meist für die Zeit von Krankenhaus- oder Kuraufenthalten einer Mutter. Das Modell der »Au pair-Oma«, die für mehrere Monate eine kinderreiche deutsche Familie im Ausland betreut, ist dagegen noch relativ neu und in der Erprobungsphase.
Mal abgesehen von den tausenderlei menschlich-emotionalen und organisatorisch-technischen Einzelheiten und Kleinigkeiten, die einen solchen Kontakt zustande bringen oder zu Ende bringen – mag mein Kind die fremden alten Leute? Passt deren Lebenswelt zu unserer? Stimmen Erziehungsziele und Erziehungsstile halbwegs überein? Nutzen wir einander auch nicht aus? Erleichtert die Leih-Oma meinen Alltag organisatorisch oder verkompliziert sie ihn? Vorbehaltlich all dessen wird sich das Modell der »sozialen Großelternschaft auf Zeit« vermutlich rasant vervielfältigen.
Spielen Opas dabei eine Rolle? In den Reportagen und Zeitungsartikeln über heutige Enkelbetreuung nicht. Das mag daran liegen, dass es praktischerweise erst einmal die jungen Mütter sind, die mit der – leiblichen oder »sozialen« – Oma die organisatorischen Einzelheiten eines Enkelbesuchs aushandeln. Es mag daran liegen, dass sich die mediale Aufmerksamkeit lieber auf die fitten, sportiven,
»flott« aussehenden Frauen ab 60 richtet als auf die Männer. (»Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad« ist ja heute kein unvorstellbarer Witz mehr.)
Es könnte aber auch daran liegen, dass Opas einfach weniger drüber reden, was sie mit ihren Enkeln unternommen haben. Und noch weniger darüber reden, was sie dabei gefühlt haben, als sie was unternommen haben.
Dass Opa »zur Verblüffung seiner Frau mit den Enkeln auf dem Fußboden herum rutscht, Pferd, Brücke und Dampfer ist, hüpft und singt und mit den Ohren wackelt; dass es ihm völlig egal ist, was die Leute von ihm denken« 85 , darüber gibt’s nach männlicher Wahrnehmung hinterher nicht viel zu sagen. Weniger jedenfalls als über gemeinsam gebackene Kuchen und fertig genähte Faschingskostüme. Nun gut, das filigran gezimmerte Puppenhaus, der reparierte Meerschweinchenstall, die Inbetriebnahme der Modelleisenbahn lassen sich vorzeigen. Vom abenteuerlichen Ausflug mit verspäteten S-Bahn-Anschlüssen in den leider geschlossenen Zoo und dann zur Tretbootfahrt auf dem Baggersee – davon lässt sich erzählen. Aber vom still und tief empfundenen Glück, als die Enkelin beim abendlichen Vorlesen in Opas Armbeuge eingeschlafen war? Seinen Kumpel und Ex-Kollegen erzählt er am Telefon, was er »gemacht« hat am Enkel-Wochenende. Aber was er gefühlt hat?
Der bereits zitierte umstrittene Vorwurf mancher »Männerforscher«, das Vorhandensein von zartesten Empfindungen werde nur demjenigen Mann geglaubt, der in weiblicher Sprache und Intensität davon reden könne 86 , mag ideologiegefärbt und übertrieben sein – auf das Verhältnis zwischen Opas und Enkeln könnte er zutreffen.
Dass es zwischen Omas und Müttern häufig Streit gibt über die »richtige« Erziehung der Enkel, zwischen Opas und Vätern aber so gut wie nie 87 – das ist ja nicht notwendigerweise ein Zeichen von großväterlicher Inkompetenz in Erziehungsfragen. Es könnte auch Indiz für eine größere Gelassenheit sein.
Was also macht den
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