Altoetting
Passionsspiel da in seinem Bett eigentlich zu suchen hatte. Er ist ums Verrecken nicht draufgekommen. Dafür hat sich die Monika mit ihren großen Brüsten an ihn gekuschelt, als ob sie für immer bleiben wollte.
Das »immer« beschränkte sich dann auf die Nacht nach jeder Vorstellung. Einundzwanzig Mal ging der Vorhang auf und einundzwanzig Mal ist die Merz Monika danach bei Plotek im Bett gelandet. Plotek wollte es eigentlich gar nicht wirklich – aber Nein sagen konnte er dann auch nicht. Dafür war er einfach zu gutmütig. Und außerdem hat Monika schon was zu bieten gehabt, mein lieber Herr Gesangsverein! Die Merz Monika war die Campbell, Ferres und Kinski in dreieiniger Person – und wenn’s sein musste auch noch mehr. Bei Plotek musste es meistens nicht.
12
Nach den einundzwanzig Vorstellungen in Altötting ist Plotek statt ins Büro des Intendanten der Münchner Kammerspiele in den Urlaub gefahren. Zuvor aber hat er sich noch der Computertomographie im Altöttinger Kreiskrankenhaus unterzogen. Und wie zu erwarten, war alles in Ordnung. Keine Geschwülste, kein Tumor. Plotek fiel ein Stein vom Herzen. Danach waren auch die Kopfschmerzen wie weggeblasen.
Eigentlich wollte Plotek ja in den Urlaub fliegen aber vergiss es. Plotek und Fliegen ist wie Fliegen und Bienen. Das ist unvorstellbar und geht nicht zusammen. Wegen der Flugangst von Plotek. Ja, wenn Plotek in der Luft war, hat ihn das Gefühl wie eine kugelrunde Null eingeholt. Er fühlte sich dann immer wie ein Nichts, ein Niemand. Und wer will das schon. Plotek nicht. Also kam Fliegen nicht in Frage. Der ICE war auch problematisch, wegen Eschede und allem. Aber wenn man von A nach B will und dazwischen Hunderte von Kilometern liegen, kann man zwar zu Fuß gehen, aber ohne den richtigen Glauben wie bei den Fußpilgern von Altötting, kommt man sicher nicht weit und schon gar nicht an. Ins Tessin ohnehin nicht. Dahin wollte Plotek nämlich. Zum Lago Maggiore, nach Locarno zum Ausspannen, zum Seelebaumeln-Lassen und alles. Plotek ist dann doch mit dem Zug gefahren, aber nicht mit dem ICE, sondern mit dem Interregio.
Aber so einfach war es dann doch nicht. Als Plotek mit zwei Plastiktüten und seinen wenigen Habseligkeiten am Altöttinger Bahnhof durch die Schalterhalle und den Warteraum in Richtung Zeitungskiosk abgebogen ist, traf ihn der Anblick dort wie eine Eisenbahnschiene. Am Zeitungskiosk neben dem Fahrkartenautomaten stand die Merz Monika geschniegelt und gestriegelt mit gepackten Koffern. Die Merz Monika hatte es offenbar mit sich und Plotek ernst gemeint. Plotek dagegen überhaupt nicht. Allein der Gedanke, dass er mit Monika am Lago Maggiore gemeinsam . . . Vergiss es! Trotz dem lieben Herrn Gesangsverein, Superweib und einundzwanzig Höhepunkten unvorstellbar.
Nach einundzwanzig Vorstellungen ist für Plotek nicht nur der Vorhang als Jesus im Altöttinger Passionsspiel für immer gefallen, auch das Verhältnis zur Maria Magdalena, zur Merz Monika, war für ihn unwiderruflich zu Ende.
Abgespielt, dachte Plotek, machte auf dem Absatz kehrt und verdrückte sich ins Herrenpissoir, bis die Zeit der Merz Monika die Geduld geraubt hat. Nach zwei Stunden, eingeschlossen in einer Kabine, hat Plotek dann ohne die Merz Monika den Zug Richtung Tessin bestiegen.
Er saß im Großraumabteil und ihm schräg gegenüber saß ein Kopf hinter einer Zeitung. Sicher war es kein kluger, weil die Zeitung die BILD war. Von da hat eine Schlagzeile Plotek direkt ins Gesicht gelacht.
HORRORSPIELE IN OBERBAYERN
exklusiv für BILD berichtet Arno Brunner,
der Altöttinger Judas,
von den mörderischen Vorgängen
bei den Passionsspielen.
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Daneben war ein Foto von Arno, der wieder aussah wie aus dem Ei gepellt. Geschäftssinn eben.
Als der Kopf hinter der Zeitung auf der Toilette war, hat sich Plotek den Artikel geschnappt und gelesen:
»Die Vorfälle um die Serienmorde an den Judassen der Passionsspiele sind aufgeklärt. Als Täterin wurde die Studentin des Brauereiwesens Veronika Z. (21) überführt. Vier Tote gehen auf ihr Konto. Ihr erstes Opfer: der Milchfahrer Hans G. (37). Mittels eines Hindernisses auf dem Landwirtschaftsweg auf Höhe von Herzöd wurde der Milchwagen die Böschung hinuntergedrängt. Durch diesen Unfall ist Hans G. auf tragische Weise in der Milch ertrunken. Dann folgte der Zimmermann Herbert Z. (37) als nächstes Opfer. Die umnachtete Serienmörderin rief den dreifachen Familienvater mittels
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