Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
praktisch noch manuell, also mit dem Strick betätigen. Durch kräftiges Ziehen kam es zum glockenklingenden Ding-Dong. Im Prinzip läutete die Glocke immer nur zur vollen Stunde – da dann durch eine Schaltuhr. Und bei Prozessionen, Hochzeiten oder Beerdigungen auch. Jetzt dafür außerplanmäßig, am späten Abend. Die Frage drängte sich auf, wer abends um kurz vor zehn am Glockenstrick der Gnadenkapelle zog?
    Und auch noch so vehement und scheinbar ohne Ende? Das war allen ein Rätsel. Also nicht nur Plotek, der sich jetzt in der Requisitenkammer wieder aufgerappelt hatte, sondern auch allen anderen vom Laienspielensemble, die mittlerweile kopfschüttelnd schon in der Gaststube vom Zwölf Apostel bei Tequila und Weißbier gesessen sind.
    Plotek ist dann dem Gebimmel gefolgt und stand schließlich, wie alle anderen auch, in der Gnadenkapelle. Da wurde dann für alle Versammelten eine einzige Katastrophe sichtbar. Die Jungfrau Maria, also die Zeller Froni, baumelte im Glockenturm am Glockenstrick. Aufgeknüpft. Tot. Selbstmord: Dazu klang noch immer das unaufhörliche Gebimmel, so lange, bis der Guardian die Glocke arretiert und vom Bimmeln abgehalten hat. Das war kein schöner Anblick, das war kein schöner Tod. Ein lauter Tod. Jetzt der fünfte in sieben Wochen. Armes Altötting.

    Wie zufällig stand Plotek neben Pater Manuel. Und viel interessanter als die tote Froni am Strick war, vom Kriminalistischen her jetzt, Manuel. Ein eindrucksvolles Schauspiel ist im Gesicht vom Pater abgelaufen. Quasi Muskelspiele und Tränen. Plotek hielt sich mit Vorwürfen und auch mit Trost zurück. Er versuchte sich einfach in einer nüchternen Analyse. Das war wieder typisch Plotek, quasi erneut erratisch.
    »Die Trauer ist verständlich!«, hat Plotek gesagt, »aber sie hätte vielleicht verhindert werden können!«
    Und dann hausierte Plotek wieder ganz bewusst mit seiner Unwissenheit und stellte erneut eine Falle auf. Auch in der größten Trauer ist Manuel mit beiden Beinen hineingetappt.
    »Vielleicht sollte im nächsten Vatikanischen Konzil die Sache mit dem Beichtgeheimnis noch einmal überdacht werden. Als Reformgedanke sozusagen. Obwohl, der Papst fühlt sich ja auch bei der Abtreibungsgeschichte noch immer im
    Mittelalter heimisch. Deshalb gibt es bestimmt auch wenig Chance auf Änderung des Beichtgeheimnisses. Obwohl, notwendig wäre es schon, weil ›Du sollst nicht töten‹ und Morde verhindern liegt doch irgendwie ganz eng beieinander, nicht wahr?«
    Pater Manuel hat jetzt geheult wie ein stummer Schlosshund, also lautlos, aber mit Tränen wie ein Springbrunnen.
    »Das wollt ich nicht!«, hat er dann geschluchzt, aber Plotek hörte gar nicht hin, weil ihm das menschliche Leid unerträglich ist. Dass Manuel jetzt litt, war keine Frage. Aber auch geantwortet hat er, obwohl Plotek gar nichts gefragt hatte. Das war wieder Ploteks Kunst: Nichts fragen und trotzdem Antworten bekommen. Und da hörte Plotek natürlich wieder ganz genau zu, weil es hochinteressant war. Und es das letzte Puzzleteil in der Altöttinger Mordserie lieferte.
    Wieder: »Das wollt ich nicht!« Dann: »Ich hab es ja nicht gewusst. Ich hab es geahnt, ja, aber ich wollte es nicht glauben. Die Froni doch nicht, hab ich mir immer eingeredet, die Froni doch nicht. Obwohl alles auf sie hingedeutet hat. Ja, schon. Ich hätte es ihr einfach nicht sagen sollen. Aber ich hab es doch sagen müssen. Es war doch der letzte Wille. Mein Onkel, der Pater Franz, hat es mir doch anvertraut, damit ich es ihr ausrichte. Nur deshalb. Auf dem Sterbebett. Ich konnte ihm seinen letzten Willen doch nicht ausschlagen. Also hab ich es ihr eben gesagt.«
    Und wieder: »Das wollt ich nicht.«
    Und hat es doch getan.
    »Ich hab ihr gesagt, dass mein Onkel, der Pater Franz, ihr Vater ist und die Annegret Topf ihre Mutter war. Ich hab ihr auch gesagt, dass mein Onkel meinte, Granz, Zeiler, Mutschler und Arno hätten die Annegret Topf, also ihre Mutter, in den Tod getrieben. Vor 21 Jahren. Ich hab gedacht, die Froni steckt das ganz gut weg, weil sie es doch richtig gefasst aufgenommen hat. Aber als dann der Zeiler vom Dach gefallen ist, bin ich natürlich nachdenklich geworden. Als dann der Granz auch noch mit seinem Milchwagen verunglückt ist, war ich natürlich noch skeptischer. Alle haben dann aber gesagt, dass das ein Unfall war, ein dummes Missgeschick mit dem Granz. Also war die Froni in meinen Augen eigentlich aus dem Schneider. Beim Mutschler im Beton hab ich dann

Weitere Kostenlose Bücher