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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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richtig zur Geltung gekommen. Plotek ist geschwankt als wär das Zwölf Apostel nicht mehr der Buckingham-Palast, sondern die Titanic kurz vor dem Untergang. Die Merz Monika hat den Griff am Arm fester angezogen und Plotek treffsicher in die frische Altöttinger Luft geführt. Von da lotste sie ihn dann traumwandlerisch Schritt für Schritt durch Altötting. Nach der Maxime: Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Plotek hat sich widerstandslos führen lassen – wohin war ihm zu diesem Zeitpunkt unklar. Die Merz Monika hat also gezogen und Plotek ist hinterher gegangen. Das Provinznest ist ihm dabei plötzlich wie eine Großstadt im Schleudergang Waschmaschine vorgekommen. Sicher hatte das auch mit den Tequilas zu tun, ganz sicher. Die zweistöckigen Häuser sahen aus wie vierstöckige, die engen Gassen wurden zu Alleen. Und die Merz Monika neben ihm mutierte, bei einem zufälligen Seitenblick, zu Naomi Campbell in Weiß oder zu Veronika Perres als Superweib oder ... ja!- zu Natassja Kinski in dem Tatort mit dem Lehrer. Plotek war jetzt hin und weg. Und die Merz Monika war da, wo sie hinwollte.
    »Schlüssel!«, hat sie gesagt und Plotek in die Hosentasche gegriffen. Dann hoch die Treppen - Plotek voraus und Monika schiebend hinterher. Und schon standen beide in Ploteks Hotelzimmer in der Eintracht. Mit oder ohne die Kinski wusste Plotek jetzt nicht, was nun zu tun wäre. Das machte aber gar nichts, weil Monika den Ton angab und sagte, ohne auch nur gefragt zu werden: »Zieh dich aus!« Da lag was Herrisches in der Stimme, so dass Plotek nicht widersprechen wollte. Also hat er sich das Hemd über den Kopf gestülpt, die Hose heruntergelassen, die Schuhe ausgezogen und versucht, die Socken vom Fuß zu ziehen. Aber vergiss es. Da hat ihm der Tequila einfach einen Strich durch die Rechnung gemacht. Immer wenn Plotek sich zu den Socken hinuntergebückt hat, ist er gleich hinterhergefallen. Dann wieder aufrappeln, wieder bücken, wieder fallen. Wäre ihm die Merz Monika nicht zur Hand gegangen, würde er sicher noch immer im Hotelzimmer zur Eintracht stehen und sich die Socken ausziehen. Monika riss Plotek also vollends die Klamotten vom Leib und ließ selbst die Hüllen fallen.
    Da stand es dann, das Prachtweib- in Ploteks Augen jetzt unbegreiflich schön und unendlich begehrenswert. Er stand ihr wie festgebunden gegenüber und konnte sich nicht rühren.
    Musste er auch nicht. Monika wusste schon, was zu tun war.
    Am nächsten Morgen hat Plotek keinen aufschlussreichen Gedanken mehr zusammengebracht. Kein Hauch von Erinnerung war da mehr in seinem Kopf, sondern nur noch Schädelweh, unerträgliches Schädelweh. Jeder Augenaufschlag wurde zu einem Hammerstoß. Der Kopf empfand sich selbst als ein Steinbruch mit Detonationen im Sekundentakt. Bum. Bum. Aua. Bum. Die Bums wurden durcheinandergewirbelt wie in einem Betonmischer. Es war ein synaptisches Kraftwerk kurz nach dem Supergau. Daran anknüpfend ein verschwommener Blick. Plotek sah sich gedoppelt, gedreifacht, sah in den eigenen Augen gespaltene Ichs. Wo, war nicht klar. Es war quasi eine Finsternis im Hirn, ein Tunnel zwischen den Ohren. Der einzige Lichtblick war das Fenster. Es gibt also noch immer ein Draußen, hätte Plotek denken können, wenn er hätte denken wollen. Die Welt existierte also genau betrachtet noch. Es war nicht nur alles in ihm. Er war nach wie vor ein Teil vom Ganzen. Nicht abgespalten, nicht getrennt. Das, was da auf seinem Hals saß, war, wenn auch schmerzend, ein Kopf. Sein Kopf. Ploteks Quadratschädel. Das war beruhigend. Alles andere war ungewiss, mit der einzigen Klarheit, dass vorher alles dunkel war und jetzt alles hell. Dazwischen musste irgendetwas passiert sein. Was? Abwarten, hätte Plotek abermals denken können, wenn er gedacht hätte. Aber mit dem Denken ist es wie mit dem Tun. Manchmal ist es nicht zu stoppen und dann kommt es nicht in die Puschen. Wie jetzt. Jetzt war nichts als Bandsalat in seinem Hirn, ein schwarzes Loch und keine Erinnerung. Nur visuelle Eindrücke tauchten scheibenweise, als stichpunktartige Wirklichkeit durch Ploteks Augenschlitze auf. Also: Decke, Balken, Tapete, Muster, Blumen. Maiglöckchen, Maiglöckchen, Maiglöckchen, dazwischen andere, unbekannte Pflanzen. Vorhänge, Bett, Plumeau, Zimmer. Schlafzimmer. Dann ein Gesicht, eine Frau. Plotek ist erschrocken und einer dachte, das ist doch die Merz Monika! Plotek hat überlegt, was die Arzthelferin von Doktor Kainz und die Maria Magdalena vom Altöttinger

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