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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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anzufangen ist.«
    »Bedienst du nicht doch noch ab und zu hier? Ich würde dann mal vorbeischauen, vielleicht. Tschüss, Maike. Ach so, was kriegst du?«
    »Das Bier geht aufs Haus. Verrate mir lieber, was das wird, wenn es fertig ist.«
    Sie zeigte auf das gute Dutzend Zuckerwürfel, das säuberlich nebeneinander auf der Theke lag. Jeder Würfel hatte eine leicht abgeflachte Ecke.
    »Ich war das nicht«, murmelte ich. »Das ist eine moderne Art der Trauerarbeit, ich erklärs dir ein andermal.«
    »Cool«, sagte die Karierte mit dem Näschen. »Ihr Psychologen habts echt drauf.«
    Ich nickte und ging.
    Gegenwind auch bei der Rückfahrt. Das Neckartal als doppelströmiger Windkanal, mittendrin ein angeschlagener Privatflic auf einem aerodynamisch fragwürdigen Gefährt. Die zwei Bier hatten mein Gesamtbefinden keine Spur verbessert, im Gegenteil. Als ich endlich zu Hause anlangte, war mir klar, dass ich etwas unternehmen musste. Ich stellte mein Rad ab, überquerte die Straße und fragte in der Apotheke nach einem Mittel gegen Weltschmerz und Unwohlsein.
    »Wie wärs mit Erkältungstee?«, schlug die Apothekerin vor, die mich und meine Marotten kennt. »Wird gern genommen in diesen Tagen.«
    »Bloß nicht. Geben Sie mir was Verbotenes, Unvernünftiges. Heute Abend muss ich wieder auf dem Damm sein.«
    Im Gehen öffnete ich die Packung, warf zwei Pillen ein und wunderte mich über ein scharfes Knacken. Ich hatte das Zeug doch geschluckt und nicht gekaut? Kurzer Blick nach unten, Entwarnung: Ich war, knick-knack, auf irgendwelche Schalen getreten. Vogelfutter auf dem Bürgersteig. Immer noch besser als die schmierige Hinterlassenschaft des räudigen Briefträgerfreundes vorhin.
    Mitten auf der Straße hielt ich inne. Seit wann knacken Vögel Pistazien?
    Marsch, kehrt, Max Koller. Ja, es waren Pistazienschalen, die da auf dem Gehsteig zwischen Apotheke und Litfaßsäule lagen. Zu Dutzenden. Pistazienschalen. Knick-knack.
    Ich sah mich um. Gegenüber, im zweiten Stock, meine Wohnung. Hier die Apotheke. Eine Kreuzung. Unbelebte, stille Straßen in einem stillen Wohngebiet. Ab und zu ein Passant, Ausbund der Normalität. Den ganzen Vormittag hatte es geregnet. Aber die Pistazienschalen waren trocken und hart. So hart, dass sie unter meinen Füßen geknackt hatten. Also waren sie frisch. Also hatte der Pistazienesser nach dem Regen hier gestanden. Heute Mittag zum Beispiel. Und jetzt war er fort.
    Auch auf dem Flachdach über dem Uniplatz hatte jemand Pistazien geknabbert. Wurde das nun Mode? Im Tartuffe gab es Chilicracker. Bei Fatty Chips, im Englischen Jäger Salzstangen. Wer stand auf Pistazien?
    Langsam überquerte ich die Straße, betrat das Haus. Zum ersten Mal, seit ich hier wohnte, überkam mich das Bedürfnis, die Eingangstür abzusperren. Ich widerstand ihm.
    Oben in meiner Wohnung legte ich mich aufs Bett und dachte nach. Zwischendurch stand ich immer mal wieder auf, um aus dem Fenster zu spähen, das zur Kreuzung hinausging. Niemand zu sehen. Schlapp fühlte ich mich nicht mehr. Vielleicht wirkte die Chemie schon. Noch ein Blick aus dem Fenster. Niemand, natürlich nicht.
    Irgendwann warf ich Christines alten Computer an und schrieb den Abschlussbericht für Petazzi. Meine Gedanken schweiften ständig ab, aber es musste sein. Beatrices Vater zahlte mir das mit Abstand höchste Honorar, das ich je erhalten hatte. Und das für nicht einmal vier Ermittlungstage.
    Kurz vor sechs legte ich ein kleines Nickerchen ein. Natürlich nicht, ohne die Straßenseite gegenüber kontrolliert zu haben. Als ich erwachte, waren meine Kopfschmerzen verschwunden. Hunger hatte ich auch. Zunächst aber ein Gang zum Fenster.
    Im Schatten der Litfaßsäule stand einer. Ob er Pistazien knackte, konnte ich nicht erkennen. Ich wollte nicht, dass er mich am Fenster sah. Er war schlank und groß und trug eine Wollmütze. Keinen Bart.
    Ich ging in die Küche und schmierte mir ein paar Brote. Räumte ein bisschen auf, zupfte die Tischdecke zurecht, goss meinen struppigen Ficus. Alibihandlungen. Die Zeit totschlagen, bis es sich wieder lohnte, ans Fenster zu treten und nach dem Unbekannten zu schauen.
    Er war immer noch da.
    Ich griff nach dem Telefon und wählte Fattys Nummer. Für eine Beschattung war mein dicker Freund immer zu haben, auch am Samstag.
    »Nee«, sagte er. »Heute nicht. Ich habe gerade alle Hände voll zu tun. Evas Geburtstag nächste Woche, verstehst du?«
    »Okay. Ist auch nicht ungefährlich, die Sache.«
    »Ehrlich? Da

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