Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
kann ich dich ja kaum im Stich lassen. Worum gehts?«
    »In einer guten Stunde treffe ich mich mit Petazzi in einem Nobelschuppen. Tricolore heißt das Ding. Sollte der Typ mir dahin folgen, folgst du ihm. Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht! Und keine Alleingänge, klar?«
    »Klar wie abgestandenes Hefeweizen, du Diktator.«
    Das war also abgemacht. Privatdetektive müssen teamfähig sein, darauf beruht das Geheimnis ihres Erfolgs. Ich zwang mich, den Bericht für Petazzi zu Ende zu schreiben, druckte ihn aus und heftete ihn ab. Keine weiteren Kontrollblicke. Fatty würde es schon richten. Vielleicht wartete der Typ dort unten nur auf seine Freundin. Wenn nicht, würde ich es erfahren.
    Kurz vor acht verließ ich das Haus, in meinem Rucksack zwei Mitbringsel für Petazzi. Ich sah weder den Mann mit der Wollmütze noch Fattys Mini. Trotzdem fühlte ich mich beobachtet.
    Das Tricolore lag in der Weststadt, nicht weit von Maikes und Annas WG. Es war berühmt für seinen einbruchssicheren Weinkeller und seine tief dekolletierten Kellnerinnen. Und für seinen Koch. Der hatte vor 15 Jahren seinen damaligen Chef mit einem Schlachtermesser durch das Restaurant gejagt, weil der eine abfällige Bemerkung über sein Ossobuco gemacht hatte. Seitdem war das Tricolore immer ausgebucht, werktags wie am Wochenende.
    Von Schlachthofstimmung konnte heute keine Rede sein. Die Atmosphäre feierlich, man sprach und speiste gedämpft. Taxierende Blicke trafen mich, signalisierten Abwehr und Mitleid. Aber welche Überraschung, als mich Signor Petazzi höchstpersönlich empfing, als er seine Wackelpuddingbeine in die Senkrechte brachte und mir ein Lächeln schenkte, das an Huld kaum zu überbieten war! Ja, da staunten sie, die Austernschlürfer und Wachtelpuler! Wolfgang Nerius strich seine Krawatte glatt und übte sich in stummer Beflissenheit, während Luigis Betonkörper uns drei vor allzu neugierigen Blicken abschirmte.
    »Herr Koller«, ließ sich Petazzis samtweiche Stimme auf Deutsch vernehmen. »Wie geht es Ihnen?« Er streckte mir seine warme, schlaffe Hand entgegen. Danke gut und Ihnen danke ebenfalls. Schön dass Sie, möchten Sie nicht, gerne. Zitternd nahm er wieder Platz. Ich reichte ihm meinen Bericht. Eine Ecke des Umschlags war geknickt, aber seit Frau Urbans Vortrag ließen sich auch Eselsohren als gewollte Irritation ihres Schöpfers erklären.
    Sein Leibwächter schnipste nach einer Kellnerin und zeigte auf mich. Ich bekam eingeschenkt: eine rote Pfütze am Grund einer Riesenkugel. Sie würde schneller verdunsten, als ich trinken konnte.
    »Ich danke Ihnen«, sagte Petazzi, nun wieder auf Italienisch und von Nerius verdolmetscht. Nachdenklich wog er den Bericht in seinen Händen. »Ich danke Ihnen sehr. Es sind keine einfachen Tage für mich. Ich hatte gehofft, im Tod meiner Tochter einen Sinn sehen zu können. Es hätte meinen Schmerz erträglicher gemacht. Das ist nun nicht möglich, leider. Ich muss der Wahrheit ins Gesicht blicken, und diese Wahrheit ist hart, roh und gemein.«
    Ich nickte. Blütenschön entsprossen die Sätze Nerius’ Mund. Selbst Begriffe wie roh und gemein vermochte er so zu formen, dass sie ihre Bedeutung verloren und zu Edelsteinen unseres Wortschatzes wurden.
    »Morgen früh reisen wir ab. Wir haben die Erlaubnis bekommen, den Leichnam meiner Tochter mit uns zu führen. Ich werde sie in unserer Gruft zur Ruhe betten.« Immer noch starrte er auf den Schnellhefter in seinen Händen. So, als habe er gerade den letzten Band der Petazzi’schen Familienchronik in Empfang genommen.
    »Zur Ruhe betten?«, fragte ich Nerius. »War das seine Formulierung?«
    Nerius schwieg.
    »Ich hoffe, Sie hatten keine Unannehmlichkeiten bei Ihren Ermittlungen«, sagte Petazzi und hob abrupt den Kopf. »Es tut mir leid, falls wir Sie bei der Schießerei am Neckar in eine missliche Lage gebracht haben.«
    »Oh, keine Sorge«, grinste ich. Unannehmlichkeiten! Schon Robert Usedom hatte dieses Wort nach seiner Weißweinattacke bemüht. »In meinem Beruf gerät man automatisch in missliche Situationen.« Ich überlegte kurz, ob ich den dreien von Spechts Kopf erzählen sollte, der zur Hälfte im Neckar gelandet war, aber ich ließ es bleiben. Der zartbesaitete Leibwächter hätte am Ende über den Tisch gereihert.
    »Es freut mich, dass Sie es so sehen«, nickte der Italiener. »Ich werde Sie und Ihre Arbeit empfehlen. Sollte mich einer meiner zahlreichen Geschäftspartner im süddeutschen Raum nach einem zuverlässigen

Weitere Kostenlose Bücher