Altstadtfest
Privatermittler fragen, werde ich Ihren Namen nennen.«
Nach diesen Worten trat Stille ein. Dass die Reihe an mir war, sie zu durchbrechen, sagten mir die Blicke der drei. Ich hatte mich höflichst zu bedanken, gemeinsam würden wir abschließend das gute deutsch-italienische Verhältnis betonen, noch einmal am Wein nippen, und dann: arrivederci! Auf Nimmerwiedersehen.
»Vielleicht sollten Sie sich das überlegen«, sagte ich. »So zuverlässig bin ich nämlich gar nicht. Hat Ihnen Herr Nerius nicht von Beatrices Erzählung berichtet, die mir in die Hände gefallen ist?«
Die Tonlage des Kunsthistorikers wurde eine Nuance frostiger, als er übersetzte. Petazzi hingegen deutete ein Lächeln an, das sich an seiner Oberlippennarbe brach. Er verzichtete auf eine Antwort. Dafür reagierte sein Leibwächter. Gelangweilt griff er in die Innentasche seines Jacketts und reichte mir einen Umschlag. Er enthielt zwei Blätter: das Original von Beatrices Erzählung sowie eine Entschuldigung des Schriftstellers für seinen Auftritt in der Galerie Urban. Gezeichnet: Robert Usedom, Adresse, Telefonnummer.
»Sehr gut«, sagte ich. »Waren Sie schon dort, Luigi? Haben Sie ihm die Dichtergriffel lang gezogen?«
Der Koloss richtete eine kurze Frage an seinen Chef, der bloß mit den Schultern zuckte. »Es war eine Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten«, sagte Luigi, ausdruckslos wie eine Betonmischmaschine. »Nun möchten Sie sicher den freien Samstagabend genießen, Herr Koller.«
»Um Gottes willen, das klingt ja bedenklich. Haben Sie den Mann gevierteilt? In Weißwein mariniert? Oder was sonst?«
Er verzog nicht einen Gesichtsmuskel. »Wenn wir«, sagte er und nickte in Richtung Petazzi, »uns jemals um solche mickrigen Kreaturen wie diesen Kindskopf gekümmert hätten, wären wir niemals so weit gekommen, wie wir es jetzt sind. Solche Typen sind der Dreck unter unseren Zehennägeln.«
»Stolze Worte«, nickte ich. »Sind Sie überhaupt befugt, in der Gegenwart Ihres Chefs das Wort ›wir‹ in den Mund zu nehmen?«
Luigi schwieg. Nerius kontrollierte seine Fingernägel. Beatrices Vater schenkte mir ein weiteres Lächeln und sagte: »Danke und auf Wiedersehen, Herr Koller.« Auf Deutsch.
Ich beugte mich zu meinem Rucksack hinunter und entnahm ihm die Tüte, die mir Maike gegeben hatte. »Bitte schön«, sagte ich. »Ich habe noch was für Sie.«
Keiner rührte einen Finger. Die Unterlagen lagen auf dem Tisch, umrahmt von vier Gläsern. Niemand sprach. Außer mir.
»Der Unfall damals in Como soll neu aufgerollt werden, habe ich gehört. Angeblich bekamen nicht alle Opfer, was ihnen zustand. Keine gute Presse für einen, der als Pate Padaniens gilt. Da werden wohl wieder ein paar Köpfe rollen, was? Aber Ihre PR-Abteilung wird es schon richten, für Berlusconis Sender sind solche Dinge eh kein Thema, und in Italien wächst das Gras schneller als anderswo. Ich bin kein Politiker, kein Umweltaktivist und kann mit dem Zeug nichts anfangen. Was Beatrice damit plante, weiß ich nicht. Nehmen Sie es als Abschiedsgruß an einen Vater, dem die Pflege von Garten und Haus wichtiger war als seine Tochter.«
Ich kippte das bisschen Rotwein in einem Zug hinunter. Die drei Ölgötzen saßen stumm um den Tisch und würdigten mich keines Blickes. Zeitlupenhaft näherte sich Petazzis Hand den Unterlagen, um das oberste Blatt mit spitzen Fingern anzuheben. Nach drei Sekunden ließ sie es wieder fallen. Seine Miene zeigte nicht die Spur einer Regung.
»Noch Fragen? Einwände, Kommentare? Nein?«
Sie schwiegen, alle drei.
Ich erhob mich, schloss den Rucksack, hängte ihn mir über die Schulter. »Gute Reise. Grüßen Sie mir Florenz und Ihre Palazzi. Wenn ich mal schnell einen Doktortitel brauche, wende ich mich an Sie.«
Sie sagten immer noch nichts. Ließen sich einfach nicht provozieren. Wollten nur noch ihre Ruhe. Drei schweigende Männer im Tricolore.
Ich verließ das Lokal. Draußen atmete ich tief durch.
17
Fatty kam am nächsten Morgen um kurz vor halb acht. Mosernd. Unausgeschlafen.
»Mitten in der Nacht«, brummte er. »Und das am Sonntag! Du glaubst doch nicht, dass der Typ jetzt schon auf den Beinen ist. Der liegt brav in der Koje und schnarcht.«
»Eben drum.« Ich hatte mir den Wecker auf sieben Uhr gestellt und die Straße unter meinem Fenster seither nicht aus den Augen gelassen. Alles war ruhig geblieben. Keine Menschenseele zu sehen.
»Und was hast du vor?«
»Den Spieß einmal umdrehen. Heute beschatte ich
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