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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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ihn.«
    »Soll heißen, du folgst ihm von seinem Hotel hierher. Dann steht ihr beide da unten und langweilt euch zu Tode.«
    »Ich sicher nicht. Abwarten, was passiert. Magst du einen Kaffee?«
    Mein dicker müder Freund nickte und tauschte Autoschlüssel gegen Kaffeetasse.
    »Aber pass auf«, sagte er, »Gertrud macht Zicken beim Anlassen.«
    Gertrud lautet der Name seines Minis, und der ist älter als ich. Beziehungsweise sie.
    »Zickige Weiber kann ich gerade gar nicht gebrauchen.«
    »Es gibt einen Trick. Drück beim Starten mit dem Knie kräftig gegen das Radio, dann springt sie an.«
    »Gegen das Radio? Nicht gegen den Tankdeckel?«
    Gähnend schüttelte er den Kopf.
    »Na gut. Erzähl mal, was gestern passiert ist.«
    Fatty stellte die Tasse beiseite, streckte beide Arme aus und ließ die Fingergelenke knacken. »Gestern? Ist ja ewig her.«
    »Mehr Kaffee?«
    »Nee. Ich brauche meinen Magen noch. Gestern, lass mal überlegen. Richtig, das war so: Als du anriefst, war ich gerade dabei, Eva etwas für den Geburtstag zu basteln. Aus Streichhölzern. Ziemlich kompliziert.« Nachdenklich betrachtete er seine kurzen Wurstfinger. »Und was tue ich? Lasse alles stehen und liegen und stürze aus dem Haus. Die Pflicht. Wenn die Pflicht ruft, gibt es bei mir kein Halten mehr. Es sei denn, Gertrud streikt. Und das tat sie. Sprang einfach nicht an. Die musste sich ganz schön was anhören, von wegen Vorwürfe und so. Das könne sie mir nicht antun, sagte ich. Und dir erst recht nicht. Keine Reaktion. Ich drücke hier, ich drücke da – nichts.«
    »Fatty, ich muss los. Bisschen schneller, wenns geht.«
    »Geht nicht. Nicht um diese Zeit. Also, du weißt Bescheid. Mit dem Knie gegen das Radio. Schwupp, sprang sie an. Als ich hier war, fuhr ich einmal an der Apotheke vorbei, sah den Mister auch gleich und suchte mir einen schönen Parkplatz. So. Und dann?« Er sah mich herausfordernd an.
    »Dann?«
    »Warten. Das große, ewige Warten. Zusehen, wie die Zeit verrinnt. Wie sich die Blätter verfärben. Wie die Sonne untergeht. Mein Gott, hat der Typ einen langweiligen Job, dachte ich mir. Er sich bestimmt auch. Nach einer Weile wechselte er den Standort, später setzte er sich in einen Wagen. Ich dachte schon, er fährt los. Von wegen, der wollte bloß ein wenig Luftveränderung. Mann, war ich froh, als du endlich aus dem Haus kamst.« Er nahm einen Schluck Kaffee. »Wenn ich wenigstens etwas Lektüre dabeigehabt hätte! Aber nichts, nur den Zugfahrplan von Heidelberg. Den kann ich jetzt auswendig.«
    Ich stellte mich wieder ans Fenster und schaute hinaus. Eine menschenleere, sonntäglich stille Straße. »Und? Ist er mir gefolgt?«
    »Klar, bis zum Tropicana.«
    »Tricolore.«
    »Sag ich doch. Du hattest es gut mit deinem Fahrrad, aber wir! Zwei freie Parkplätze in der Weststadt – ein Ding der Unmöglichkeit. Er stand auf einem Behindertenplatz, ich in einer Einfahrt. Mir war nicht klar, wie das enden sollte. Ihm zum Glück noch weniger. Nach zehn Minuten machte er sich vom Acker.«
    »Weißt du, warum?«
    »Wahrscheinlich dachte er, du würdest dort essen. Großes Gelage mit den Italienern. Ich dachte es ja auch, und erst, als ich zu Hause deine Nachricht abhörte, war mir klar, dass du nicht lange dort gewesen sein konntest.«
    »Wohin fuhr er?«
    »Nach Hause, ins Bettchen. Aktuelles Sportstudio oder so.«
    »Und wie heißt sein Zuhause?«
    »Hotel Clara«, sagte Fatty zufrieden. »In der Kußmaulstraße. So eine versteckte, unauffällige Pension, nicht weit vom Englischen Jäger. Ideal, wenn man was zu verbergen hat. Zum Beispiel sich selbst.«
    »Ist mir nie aufgefallen, das Haus. Aber erzähl weiter.«
    »Im Prinzip war es das. Er fuhr seinen Wagen in den Hof und ging ins Hotel. Fertig. Ich wartete eine Viertelstunde, ging noch mal die Gleisbelegung zwischen 14 und 15 Uhr durch, und da nichts weiter passierte, verdünnisierte ich mich. Als ich eben am Hotel vorbeifuhr, stand der Wagen noch an derselben Stelle.«
    »Gut. Kannst du den Kerl beschreiben? Von hier oben habe ich nur sehen können, dass er groß und schlank war.«
    »Sogar sehr schlank, regelrecht hager. Hohe Stirn, soweit man das unter seinem Wollkäppi erkennen konnte. Brille, hellbraune Wildlederjacke, Jeans. Etwa 40, würde ich sagen.«
    »Kein Bart?«
    »Nein.«
    »Also ist er weder der Schütze vom Uniplatz noch der vom Bootsanleger. Entweder Neonazi Nummer drei oder ein ganz anderer.«
    »Was für ein anderer?«
    »Wenn ich das wüsste. Wirkte er

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