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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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wusste.
    »Ich will Sie nicht aufhalten, Herr von Kant«, hörte ich mich sagen. »Ihr Zug geht demnächst.«
    Verdammt, klang ich cool. Hoffentlich empfand er es ebenso. Hoffentlich sah er nicht, wie sich meine Hände um das Steuer des Minis klammerten, dass die Knöchel weiß wurden.
    »Diese senile Plaudertasche«, lachte er. »Fahren Sie los, Koller. Ohne Hektik. Nicht zu schnell und nicht zu langsam. Ich lotse Sie.«
    Ich rührte mich nicht. Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre es in diesem Moment nicht gegangen.
    »Vorwärts«, zischte er und gab mir einen kleinen Stoß mit der Pistole. »Keine Mätzchen.«
    »Ihre Waffe macht mich nervös.«
    Er zog sie ein Stück zurück. Das Kribbeln blieb. Ich nahm die rechte Hand vom Steuer, drehte den Zündschlüssel und gab Gas.
    »Wehe, du springst an, Gertrud«, dachte ich. »Wehe, du springst jetzt an …«
    Ein fröhliches Schnurren. Stille. Ich liebte dieses Auto.
    »Sie sollen losfahren, sagte ich.«
    »Erst mal können. Das ist nicht mein Wagen, und er macht schon den ganzen Morgen Zicken.«
    Ich versuchte es ein zweites Mal. Wieder nichts. Ich drehte den Schlüssel, Gertrud schnurrte, und neben mir wurde jemand unruhig.
    »Sie wollen mich verarschen!«
    »Will ich nicht. Ich habs doch schon probiert, bevor Sie einstiegen.«
    »Treten Sie überhaupt die Kupplung?«
    »Was hat denn das mit dem Anlasser zu tun?«
    »Finger weg!« Er rammte mir die Pistole wieder gegen die Schläfe, fummelte selbst am Zündschlüssel herum und gab Kommandos. »Gas, Koller! Mehr Gas!«
    Ich drückte das Gaspedal durch. Gertrud heulte auf, der Anlasser schnurrte, der Motor blieb stumm. Innerlich frohlockte ich. Gertrud hielt zu mir. Ich war nicht allein.
    »Wie sind Sie denn hierhergekommen?«, brüllte der Lange mich an.
    »Ganz normal. Aber als ich eben losfahren wollte, ging nichts mehr. Der Wagen gehört einem Freund, was soll ich machen.«
    Er schwieg. In seinem Gesicht zuckte es. Lieber nicht hinsehen. Einen kurzen Moment lang stand mir meine eigene Beerdigung vor Augen, mit Christine, die als Erste vortrat, um eine Schaufel Erde auf meinen Sarg zu werfen. Wie wohl die Schlagzeilen der Neckar-Nachrichten lauten würden? Und ob sie Covet den Nachruf schreiben ließen?
    »Wenn Sie mich jetzt umlegen«, sagte ich, »bringt Ihnen das gar nichts. Die Polizei weiß Bescheid und wird gleich hier sein. Kommissar Fischer ist über alle meine Schritte informiert.«
    »Ach? Und was wollen Sie ihm am Bahnhof dann noch erklären? Schwacher Versuch, Herr Koller. Ihr Problem ist, dass Sie Ihr Wissen nicht mit anderen teilen wollen. Falls Sie überhaupt etwas wissen.«
    »Oh, ich weiß nicht alles, das stimmt. Zum Beispiel weiß ich nicht, auf wen Sie es beim Heidelberger Herbst in Wahrheit abgesehen hatten.«
    Das war ein Schuss ins Blaue, doch er saß. Ich merkte es am nachlassenden Druck gegen die Schläfe, am Schweigen von Kants, an seiner leicht erhöhten Atemfrequenz.
    »Sieh an«, sagte er schließlich, und ich verstand ihn kaum, weil er plötzlich lispelte. »Da macht sich einer so seine Gedanken. Fast müsste man beeindruckt sein.«
    »Na ja«, machte ich leichthin und nahm die Hände vom Steuer. »Sie haben es mir …«
    »Lassen Sie die Hände da!«, befahl er. Und dann, ruhiger: »Okay, ein Blödmann sind Sie nicht, Koller. Haben da was rausgekriegt, auf das keiner kam. Und wissen Sie, was Sie sich davon kaufen können? Einen Sargnagel.«
    »Wie gesagt, Kommissar Fischer ist unterrichtet.«
    »Und ich bin Mutter Teresa. Los, versuchen Sie noch einmal zu starten. Ohne Tricks.«
    Ich tat ihm den Gefallen, und er verschlang meine Bewegungen mit den Augen. Am Resultat änderte sich nichts.
    Da begann er zu schimpfen. Heftig. Es war Sonntag, Zeit für einen Kirchgang, aber Hermann von Kant fluchte das Blaue vom Himmel herunter.
    »Vorsicht!«, zischte er und senkte die Pistole ein wenig, als zwei schicke Radlerinnen gegen die Einbahnstraße auf uns zukamen. Eines der Mädchen sah sogar zu uns herüber, aber welches Zeichen hätte ich ihr geben können? Welches hätte sie verstanden?
    »Nehmen wir doch Ihren Wagen«, sagte ich. »Oder haben Sie den schon entsorgt?«
    Er schwieg und sah auf die Uhr.
    »Sonntags sind die Bahnen pünktlich, Herr von Kant. Wenn Sie mich nicht vom Hotel aus gesehen hätten, hätten wir beide ein Problem weniger.«
    »Ich habe Ihre gelbe Bonsaikarosse gesehen. Die fiel mir schon gestern Abend auf. Bescheuert, so einen Wagen zu nehmen.«
    »Auch nicht

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