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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Sauerbraten riecht.
    Ich schloss mein Rad ab und legte die paar Schritte bis zum Eingang schnuppernd zurück. Sauerbraten, mit Rotkohl und Klößen wahrscheinlich. Leichte Südstadtkost für einen warmen Septemberabend. Zum Abschluss ein Eis mit viel Sahne und das Ganze in ein obergäriges Dunkelbier eingelegt. Ich läutete. Neben der Klingel stand in verschnörkelter Schrift: FISCHER . Der Hausherr öffnete selbst.
    »Ach nein«, machte er. »Was wollen Sie hier?«
    »Die Nachbarschaft beschwert sich, Herr Fischer. Es riecht zu gut. Ich soll fragen, ob Sie nicht ein bisschen schlechter kochen können.«
    »Um Gottes willen. Sagen Sie das meiner Frau, und Sie werden adoptiert.«
    »Im Ernst, ich würde gerne mit Ihnen sprechen. Wenn ich störe, komme ich ein andermal wieder.«
    »Hören Sie auf«, knurrte er und ließ mich ein. »Wenn ich jeden rausschmeißen würde, der mich stört, wäre ich ein einsamer Mensch.«
    Er führte mich in ein Wohnzimmer, das dem Attribut ›plüschig‹ neue Nahrung gab: rostbraune Teppiche, schwere Gardinen, an der Wand gerahmte Ölbilder und mittendrin eine Couchgarnitur, der selbst die 68er-Revolte nichts hatte anhaben können. Warm und weich wie ein Mutterschoß, dieses Ambiente.
    Ein lang gezogenes »Ah!« ertönte hinter uns. »Sie müssen der liebe Herr Keller sein!« Ein kompaktes Persönchen kam auf uns zu: Fischers Frau. Im Gehen trocknete sie ihre Hände an einem Geschirrhandtuch ab, bevor sie meine Rechte kräftig drückte. Dazu schenkte sie mir ein innig mütterliches Strahlen, das von zwei runden Apfelbäckchen flankiert wurde. Obwohl sie an die 60 war, sah sie zum Anbeißen aus; nicht umsonst wehte mit ihr ein Schwall Sauerbratenduft herein.
    »Der Mann heißt Koller«, grantelte ihr Mann, »und lieb war er nicht mal als Baby.«
    »Achten Sie gar nicht auf ihn«, zwinkerte sie mir zu. »Er erzählt nur das Beste von Ihnen.«
    So war sie, die gute Frau Fischer: das menschgewordene Wohnzimmer. Ihr Lächeln eine Einladung, ihre Begrüßung eine Wohltat. Und wenn man nicht aufpasste, drückte sie einen gegen die blumenbeschürzte Brust.
    »Wacholder?«, fragte ich und schnupperte wieder.
    »Wacholder muss sein. Können Sie sich Rotkohl ohne Wacholderbeeren vorstellen? Ich nicht.«
    »Nun ist mal gut«, mischte sich der Kommissar ein. »Ich könnte mir vorstellen, dass sich dieser junge Mann Dinge vorstellen kann, die du dir nicht vorstellen kannst. Und jetzt lass uns bitte allein, es reicht, wenn der Kerl mich belästigt. Unser Abendessen muss ja nicht darunter leiden.«
    »Oh, Sie können gerne mitessen«, lächelte sie. »Vorher einen Kaffee, Herr Keller? Man weiß nie, wozu er gut ist.«
    »Danke, nein.«
    Fischer drängte sie sanft aus dem Zimmer. Seine Feierabendkleidung – Cordhose, Sandalen, Tennissocken, weißes Hemd und Krawatte – ergänzte das altfränkische Inventar aufs Feinste. Fehlte nur noch die Strickjacke. Ächzend ließ er sich in einen Sessel fallen, während ich es mir auf der Couch gemütlich machte. In der Couch, besser gesagt.
    Vor uns auf einem niedrigen Glastisch lagen einige aufgeschlagene Ordner, daneben leere Blätter Papier, Bleistifte und Textmarker.
    »Home-Office, Herr Kommissar?«, fragte ich. »Und das in diesen hektischen Tagen?«
    Fischer warf mir einen scharfen Blick zu. »Heute ist Dienstag. Wären Sie am Dienstag letzter Woche gekommen oder am Mittwoch, Donnerstag, Freitag – ich hätte mir nichts dabei gedacht. Aber da Sie heute vor meiner Haustür stehen, habe ich einen Verdacht. Und der verheißt alles Mögliche. Nur nichts Gutes.«
    »Ein Tag, der mit Sauerbraten endet, ist immer ein guter Tag.«
    »Also, was wollen Sie mit mir besprechen? Und warum kommen Sie nicht in mein Büro?«
    »Ich habe dort angerufen. Keiner da, nicht einmal Ihre beiden bissigen Mitarbeiter.«
    »Morgen früh ab acht Uhr sind Besucher herzlich willkommen.«
    »Ich dachte, vielleicht ist es sogar von Vorteil, den Kriminalhauptkommissar Fischer privat zu sprechen.«
    Seine Miene verfinsterte sich. »Das wird ja immer schlimmer.«
    »Überhaupt nicht. Ich wollte unser letztjähriges Kooperationsprojekt wieder aufleben lassen.«
    Frau Fischer steckte den Kopf durch die Tür. »Wie war das? Sie wollten einen Kaffee, nicht wahr?«
    »Vielen Dank, nein.«
    Der Kopf verschwand.
    »Was für ein Projekt?«, schnarrte Fischer.
    »Kooperation statt Konfrontation, so haben Sie es selbst genannt. Sieht so aus, als arbeiteten wir derzeit am gleichen Fall. Ein Austausch

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