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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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sich nur an. Geht auf meine Kappe. Vielleicht gewinnen Sie neue Erkenntnisse für Ihren Spezialauftrag. Der Film wirft nämlich einige Fragen auf.«
    »Fragen?«
    »Sie werden schon sehen.« Er zeigte auf meinen Kaffee und meinte: »Übrigens, Sie brauchen ihn nicht zu trinken. Koffeinfrei, wegen dem hier.« Er klopfte gegen seine linke Brust.
    Erleichtert stellte ich die Tasse ab. »Gibt es denn schon eine heiße Spur? Ich meine, heißer als das, was Petazzi verzapft und was an Gerüchten durch die Stadt wabert?«
    »Lesen Sie keine Zeitung? In den Neckar-Nachrichten stehen doch alle Ermittlungsergebnisse, die unter die Geheimhaltungspflicht fallen.«
    »Nun erzählen Sie mir nichts von diesem braunen Rollkommando.«
    Fischer ließ seinen Zigarillo langsam von einem Mundwinkel zum anderen wandern. Dann knurrte er: »Sie meinen die Arische Front?«
    »Keine Ahnung, welchen dämlichen Namen sich die Typen gegeben haben. Trotzdem Trittbrettfahrer.«
    Stumm kratzte sich Fischer im Nacken. Dabei sah er mich mit eigentümlichem Gesichtsausdruck an.
    »Wie? Keine Trittbrettfahrer?«
    »Tja«, sagte er. »Ein dämlicher Name, da haben Sie recht. Nie von der Truppe gehört, jedenfalls nicht bis zum Samstag. Da traf ihr Bekennerschreiben per Fax ein. Und zwar um 20.17 Uhr. Drei Minuten nach dem Anschlag.«
    »Drei Minuten?«
    »Eine ganze Seite Text. Das ist ein Faktum.«
    Ich schwieg verblüfft.
    »Da verschlägts Ihnen die Sprache, was? Ging mir genauso, Herr Koller. Uns allen ging es so. Es passt auch nicht: Neonazis, die plötzlich Amok laufen, die blindlings in eine Menge feuern. Ich bin seit fast 40 Jahren Polizist, aber von solchen Dingen habe ich noch nie gehört. Trotzdem, um eine Sache kommen wir nicht herum: Wer auch immer dieses Schreiben abgefasst und uns zugefaxt hat, wusste von dem Anschlag. Er war vorbereitet.«
    »Und was steht drin in dem Schreiben?«
    »Das Übliche. Fanal setzen, Rassenschande tilgen, Deutschland den Deutschen. Braunes Brechmittel. Aber auch Datum, Ort und Zeit des Anschlags.«
    »Das darf nicht wahr sein.«
    »Diesen Satz habe ich in den letzten Tagen öfters gehört. Die Bundesstaatsanwaltschaft: ratlos. Der Verfassungsschutz: ratlos. Alle raufen sich im Chor die Haare und haben Schiss vor einem neuen Heißen Herbst. Ich übrigens auch. Und da kommt dieser Italiener mit seiner ganz privaten Rabaukenlegende!«
    »Weiß Petazzi vom Eingang der Faxbotschaft?«
    »Eher nein. Sonst hätte er Sie kaum engagiert.«
    »Na gut«, seufzte ich. »Dann wäre ja endgültig geklärt, dass ich nichts finden kann, wenn ich im Leben seiner Tochter herumstochere.«
    »Kommen Sie morgen früh in mein Büro, dort zeige ich Ihnen die Aufnahme vom Uniplatz. Das Mädchen wird allerdings nicht darauf zu sehen sein.«
    »Besser so.«
    Die Tür wurde geöffnet. Voll rundlicher Wonne stand Frau Fischer auf der Schwelle und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Fertig!«, rief sie. »Und Sie essen mit, Herr Keller!«
    Mehr als satt fuhr ich eine gute Stunde später nach Hause. Im Westen ging eben die Sonne unter. Mit ihren gelben Fingern riss sie Fetzen aus dem Wolkenteppich, der sich über der Rheinebene wölbte. Es war eine Abendstimmung wie viele, aber sie hatte etwas Bedrohliches. Nicht einmal dem Fischer’schen Sauerbraten gelang es, meine trüben Gedanken zu vertreiben. Eine Nazigang in Heidelberg, die auf wehrlose Menschen schoss? Das war ja wie vor 70 Jahren. Was kam da als Nächstes? Öffentliche Hinrichtungen, Zugentgleisungen, Bombenattentate? Al-Qaida in Deutschland – mit dem Unterschied, dass diese arischen Nachahmer zu feige waren, um selbst ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Zu feige oder zu klug.
    Deprimiert langte ich zu Hause an. Eine Weile versuchte ich, mir vorzustellen, was am Samstagabend auf dem Uniplatz geschehen war. Dann besorgte ich mir Papier und Bleistift, um mir Notizen meiner heutigen Gespräche zu machen. Zusammen mit Beatrices Foto legte ich die Zettel in einer Klarsichthülle ab.
    Gegen zehn rief Christine an. Sie klang fröhlicher als gestern, sogar ein wenig beschwipst. Im Hintergrund Stimmengewirr und Gläserklirren. Den ganzen Tag seien sie unterwegs gewesen. In Ostia. Absolut sehenswert.
    »Und ich dachte immer, das heißt Osteria«, sagte ich.
    »Ja, das auch. Warum hast du angerufen?«
    »Warum nicht einfach so? Brauche ich einen Anlass dafür?«
    Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich wusste es in dem Moment, als die Worte meine Lippen verließen, um sich auf den Weg

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