Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
Richtung Italien zu machen. Sofort schlug Christines Stimmung um.
    »Natürlich brauchst du einen Anlass, Max«, sagte sie gereizt. »Die Zeiten sind vorbei, in denen du dich einfach so gemeldet hast. Falls es sie je gab. Was willst du? Eine Auskunft, eine Information? Vielleicht ein bisschen Zuspruch?«
    Kein idealer Gesprächsbeginn. Natürlich, Christine hatte völlig recht: Nie im Leben hätte ich, nur um mit ihr zu plaudern oder ihre Stimme zu hören, in Rom angerufen. Das passierte mir ja nicht einmal in Heidelberg.
    »Für Zuspruch ist die Kirche zuständig«, sagte ich. »Informationen hätte ich schon gerne von dir. Wie dein Tag zwischen Ruinen war, wie es dir geht und welcher deiner Mitreisenden sich heute besonders dämlich angestellt hat.«
    »Das willst du nicht wirklich wissen.«
    »Doch! Wart ihr schon im Petersdom? Und hast du deine Hand in die Bocca della verità gesteckt?«
    »Morgen. Deine würde wahrscheinlich drin bleiben. Red nicht drum herum, Max. Dazu kennen wir uns zu lange.«
    »Okay, okay. Es gibt da noch etwas. Du wirst es nicht glauben, aber seit heute ermittle ich in Sachen Anschlag auf dem Uniplatz. Der Vater dieser Italienerin hat mich engagiert.«
    »Der Vater des Mädchens aus Florenz?«
    »Genau. Petazzi heißt der Mann. Politiker und Unternehmer, reich wie deine Römerkaiser. Weswegen er komplett die Bodenhaftung verloren hat. Er kann nicht einsehen, dass seine Tochter einen sinnlosen Tod gestorben ist, und behauptet, das Attentat habe ihr und damit ihm selbst gegolten.«
    »Ein gezielter Anschlag?«
    »Den die drei übrigen Opfer verschleiern sollten, richtig.«
    »Der Arme«, sagte Christine leise.
    »Der arme Reiche, ja. Man muss schon eine ganze Menge Moneten aufeinandergestapelt haben, um sich so den Blick auf die Realität zu verbauen. Jedenfalls soll ich Beweise für seine hanebüchene Theorie beschaffen.« In meiner Nase kitzelte etwas. Ein Haar, so lang, dass ich es mit Daumen und Mittelfinger zu packen bekam.
    »Verständlich.«
    »Verständlich?« Das Haar wurde ausgerissen und in eine Zimmerecke geschnippt. »Was findest du daran verständlich?«
    »Dass der Mann nach einer Erklärung für den Tod seiner Tochter sucht. Dass er ihr einen letzten Dienst erweisen möchte, indem er den Mörder findet.«
    »Nun mach mal halblang, Christine. Dieser Geldprotz degradiert drei der vier Opfer zu Kollateralschäden. Abfallprodukte seines persönlichen Kampfs um die Macht im Lande. Auf so einen letzten Dienst kann ich verzichten.«
    »Ich sage nicht, dass ich Verständnis für seine Erklärung aufbringe. Nur für seine Suche danach. Natürlich klingt diese Theorie verrückt und egoistisch. Aber das spielt keine Rolle. Du würdest auch nicht logisch denken, wenn es um deine Tochter ginge.«
    »Ich habe keine Tochter«, entgegnete ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
    »Das ist mir bekannt.«
    Pause. Im Hintergrund hörte ich ihre Reisegruppe lachen und Chianti ordern. Gleich würden sie »O sole mio« singen. Und Christine würde mitschunkeln müssen, wenn sie vom Telefon kam, die Miene starr, die Augen verheult. Hier, Frau Markwart, nehmen Sie noch einen zur stattlichen Brust und vergessen Sie den Typen. Er ist es nicht wert.
    Ja, warum vergaß sie mich nicht einfach? Worauf hoffte sie noch?
    »Okay«, sagte ich schließlich. »Wahrscheinlich hast du recht. Ich weiß nicht, wie sich so ein Verlust anfühlt, auf welche verrückten Ideen man aus lauter Verzweiflung kommt. Bloß: Dieser Petazzi kam mir nicht verzweifelt vor. Ich saß ihm ja gegenüber. Ein bisschen Leidensmiene, ein paar Trauerfloskeln, das wars. Ansonsten: eine perfekt vorbereitete Geschäftsbeziehung zu einem Privatermittler, routinierte Politikerschelte, Machtspielchen, Kulturgesülze. Ich nehme dem Mann einfach nicht ab, dass er am Boden zerstört ist.«
    »Was hast du erwartet? Dass er vor dir zusammenbricht? Dass er sich die Kleider zerreißt? Du müsstest doch am besten wissen, wie man Gefühle verbirgt.«
    »Ach, müsste ich das?« Ich ließ ein verächtliches Schnauben hören. Falls jemand noch eine Erklärung für unsere Trennung brauchte: Bitte, meine Ex hatte sie soeben geliefert. Max verbirgt seine Gefühle. Max lässt keinen an sich ran. Max baut einen Schutzwall aus Worten, an dem man sich blutige Köpfe holt. Christine war so lange dagegen angerannt, bis sie kapituliert hatte.
    Man konnte die Sache aber auch anders sehen: Erst war das Anrennen da. Das Belagern, Vereinnahmen, Umarmen, bis man keine

Weitere Kostenlose Bücher