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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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angebracht, der Kurpfalzlöwe. Ein Sticker in Gold und Schwarz, der die Dame heraushob aus der Masse gewöhnlicher Heidelbergerinnen. Der ihr eine Macht verlieh, die in unseren profan demokratischen Tagen ihresgleichen suchte: die Macht, Strafzettel zu verteilen, Nummernschilder zu notieren, Verweise auszusprechen und nicht mehr ganz junge Männer zu jungen Männern zu degradieren.
    Aan Momentche …
    Rein dynastisch gesehen, hätte man der blauhütigen Dame allerdings die Hoheit über die Kurfürstenanlage absprechen können, so eindeutig entlarvte ihr Dialekt sie als südhessische Gast-Adlige. Eine Viernheimerin, Heddesheimerin oder Alsbach-Hähnleinerin, die für unsere kurpfälzische Feudalordnung einstand, so weit waren wir schon gekommen! Aber es half nichts, sie trug ihn, jenen Gefolgschaft fordernden Sticker, der sie zur Reichsverweserin über unsere Bürgersteige und Rinnsteine, über unsere Grünanlagen und die Stellflächen für Inhaber des Anwohnerparkausweises B machte.
    »Ich werde es nie wieder tun«, versprach ich. »Nie wieder werde ich das Romantikhotel Ambassador durch Anlehnen meines Rades entweihen. Ehrlich!«
    »Des Hodell?«, stutzte das wackere Weib. »Naa, desch is net moi Revier. Ihr Rad habb isch im Au. Do, gugge Se, die Lomb is hie.« Sie wies auf mein Vorderlicht. Genauer gesagt, auf die Ruine meines Vorderlichts: ein einsames Kabel, aus rostiger Fassung baumelnd. Sie hatte recht, eine Reparatur war überfällig, vor allem, weil die Fassung beim Fahren klapperte. Wodurch sie andererseits die Klingel ersetzte, die schon seit Jahren kein Geräusch mehr hervorbrachte. Ob die städtische Wappenträgerin für diesen komplizierten Sachverhalt ein offenes Ohr hatte?
    »Ja«, sagte ich versöhnlich, »die is hie, die Lomb. Und ich wollte gerade zum Fahrradladen hie. Um sie wieder hiezukriegen. Is ja kein Zustand, die Lomb.«
    »Des hammer gern«, lobte mich die Dame, ihr Hütchen abnehmend. Ihre Topffrisur erinnerte mich an die der jungen Angela Merkel, als sie noch Umweltministerin war und keine Westkostüme trug. Die hatte ja auch keiner ernst genommen, weil sie ohne Sticker herumregierte, und hastdunichtgesehen war sie Bundeskanzlerin. Insofern gebot es sich, der Trottoirgräfin mit dem gebührenden Respekt zu begegnen.
    »Wollde Se do des Ricklischt aa glei in Ordnung bringe?«, sagte sie, mein Gefährt sorgfältig inspizierend. »Hätts needisch. Un wo hamm Se eichentlich die Vorderbrems? Is die in die Gangschaldung indegrierd?«
    Das war ein prima Witz, über den wir beide schallend lachten. Ja, die Gangschaltung! Als die erfunden wurde, hatte mein Rad bereits einige Jährchen auf dem Buckel. Und seitdem die Vorderbremse hopsging, hat sich meine Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr nachhaltig verbessert. Da ich nicht wusste, wie man Reaktionsfähigkeit und Straßenverkehr auf Südhessisch ausspricht, schwieg ich.
    »Naa, naa«, lachte Frau Bundeskanzlerin, »so laaft des net. So net, jungä Monn.« Sie schüttelte den Kopf und freute sich über derart viel Beanstandenswertes.
    »Ich brings bestimmt in Ordnung«, sagte ich. In Zeiten der Großen Koalition mussten standesübergreifende Bündnisse doch möglich sein.
    »Eichentlich«, mahnte die Frau in Blau, »eichentlich misst ich jetz …«
    »Ja?«
    »Na, denn losse ma noch aamol Gnad vor Rescht ergehe. Es lädschde Mol, net wohr?«
    Ich nickte schuldbewusst und trollte mich, mein Rad schiebend. Außer Sichtweite stieg ich wieder auf. Petazzis und Nerius’ Kommentare hätten mich interessiert, wenn sie auf meiner Spesenabrechnung ein fettes Knöllchen entdeckt hätten.
    Vermutlich wäre es ihnen weniger übel aufgestoßen als das, was ich gleich nach meinem Gastspiel im Ambassador tat: Ich zog Erkundigungen über den Italiener ein. Meine erste Station war die Stadtbücherei, in der ich durchs Internet surfte und Zeitschriften konsultierte. Nerius hatte recht gehabt, Petazzi gehörte zu den bekanntesten Politikern seines Landes. Bekannt und gefürchtet. Sein politischer Werdegang war abenteuerlich: Als junger Mann trat er der DP bei, einer Partei vom linken Rand, Sammelbecken für Kommunisten, Maoisten und andere Radikalinskis. In den späten Achtzigern spaltete sich die DP , zerfiel in Orthodoxe und Liberale, Grüne und Linkskatholiken, Salonsozialisten und Gewerkschafter. Von Petazzi hörte man einige Jahre nichts mehr, er kümmerte sich um die Firmen, die er von seinem Vater geerbt hatte, kaufte neue hinzu, bis er zuletzt ein

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