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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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fuhr ich fort. »Fand Beatrice Ihr Engagement für die Lega Nord gut oder stand sie in Opposition dazu?«
    »Politik und Privatleben habe ich immer streng getrennt. Zu Hause wurde so gut wie nie über die Lega oder eine andere Partei gesprochen.«
    »Wirklich nicht? Wenn Politik doch Ihr Lebensinhalt ist? Beatrice war erwachsen, da wird sie sich eine eigene Meinung gebildet haben, oder?«
    Petazzi schwieg. Wir waren vor dem Hotellift angekommen. Der breite Zeigefinger des Leibwächters legte sich auf den Schalter mit dem Abwärtspfeil. Im Schacht begann die Hydraulik zu arbeiten.
    »Okay«, sagte ich, »dann eine andere Frage. Ich bin kein Kenner der italienischen Verhältnisse. Aber wenn ich von einem norditalienischen Politiker und Geschäftsmann höre, der sich als Opfer eines Attentats sieht, dann denke ich sofort an die Mafia. Oder an sonst eine kriminelle Organisation aus dem Süden. Wie sehen Sie das?«
    Er lachte. »Sie kennen unsere Verhältnisse wirklich nicht, Herr Koller. Was weniger an Ihnen liegt als an der Tatsache, dass in Italien viele Dinge anders laufen als im Rest der Welt.« Die Fahrstuhltüren öffneten sich, er stieg ein. »Mafia, Cosa nostra, ’Ndrangheta und wie sie alle heißen: Das sind im Prinzip ganz normale, perfekt organisierte Wirtschaftsunternehmen, die sich zweifelhafter Methoden bedienen. Methoden, die ich verabscheue, um es deutlich zu sagen. Aber weil sich diese Unternehmen in Kalabrien und auf Sizilien austoben, kommen wir uns nicht in die Quere. Im Gegenteil, wir verfolgen die gleichen Interessen: Unabhängigkeit von Rom. Mit der Mafia habe ich keine Probleme.« Er drückte den Knopf für die Fahrt ins Erdgeschoss.
    Ich wollte zusteigen, aber die Hand des Leibwächters, der auf der Schwelle des Lifts stand, hielt mich zurück.
    »Wir nehmen die Treppe«, hörte ich Nerius sagen. »Signor Petazzi fährt nie mit Fremden im Aufzug.«
    »Niemals?«
    Er schüttelte den Kopf. Der Leibwächter trat zurück, damit sich die Türen schließen konnten. Sanft setzte sich der Lift in Bewegung.
    »Bitte«, sagte Nerius und zeigte zur Treppe. »Auf dem Weg nach unten können wir uns über Ihr Honorar verständigen.«
    Ich blieb vor dem Aufzug stehen. Mein Blick fiel auf die Kopien von Beatrices Foto, die ich in der Hand hielt.
    »Was ist? Wollen Sie hier Wurzeln schlagen?«
    Nachdenklich sah ich ihn an. »Kann es sein …?«, begann ich.
    »Was?«
    »Kann es sein, Herr Nerius, dass es Ihrem Chef um etwas ganz anderes geht als um den Mörder seiner Tochter?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe nicht den Eindruck, als ob er viel über Beatrice wüsste. Will er vielleicht durch mich etwas über sie erfahren? Über sie und ihre Pläne, ihre Freunde, ihre Unternehmungen? Soll ich ihm ein Stück ihres Lebens zurückgeben? Ist es das, Herr Nerius?«
    »Quatsch«, sagte er rüde und begann, die Treppen hinabzusteigen. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    Schweigend folgte ich ihm.

5
    ›Sehr geehrter Verkehrsteilnehmer! Sie parken widerrechtlich auf dem Privatgelände des Romantikhotels Ambassador. Wir möchten Sie bitten, Ihr Fahrzeug umgehend zu entfernen und auf die zahlreichen regulären Stellflächen in Parkhäusern, Tiefgaragen etc. auszuweichen, da Sie andernfalls mit einer Anzeige wegen unerlaubter Nutzung von Privatgrund rechnen müssen. Hochachtungsvoll, Müller. Direktorium Romantikhotel Ambassador‹
    Ich knüllte den Zettel, der unter meinem Gepäckträger geklemmt hatte, zusammen und warf ihn in den nächsten Papierkorb. Genau da gehörte er hin: Asche zu Asche, Müller zu Müll. Sollte ich mein Rad in einer Tiefgarage abstellen? Die kamen hinter ihrem Schreibtisch vielleicht auf Ideen. War doch nicht meine Schuld, dass es auf dem Privatgelände des Romantikhotels Ambassador keinen Fahrradständer gab. Ich schwang mich auf meinen Drahtesel, fuhr los und kam geschätzte sieben Meter weit. Dann stoppte mich die eiserne Hand des Gesetzes.
    »Aan Momentche, jungä Monn!« Junger Mann? Damit konnte ich nicht gemeint sein. Und meinen Müllermüll hatte ich doch vorschriftsmäßig entsorgt.
    »Aan Momentche!« Winkend watschelte sie auf mich zu: eine füllige Lady in der Tracht des Ordnungsamtes, hellblaues Hemd unter kobaltblauem Baumwollpullunder, ein keckes Hütchen obenauf, die Bundfaltenhose lässig um die wabernden Hüften gegürtet, das gewölbte Busenpaar vom Riemen ihres Umhängetäschchens geteilt. Herzstück der Aufmachung aber war, obwohl verschämt auf den Schulterklappen

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