Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
bedeutet hatte. Ich blieb sitzen, minutenlang. Mein Zimmer war ein Aquarium und der Telefonhörer mein Schnorchel, die Verbindung zum Sauerstoff und zum Leben. Gerade hatte jemand Salzsäure hineingeschüttet.
    Langsam legte ich den Hörer auf die Station zurück. Zehn nach zehn, und ich hätte mich am liebsten zu den vieren auf den Uniplatz gesellt.
    Da half nur eins: ab in die Küche. Ich stellte drei Flaschen Bier nebeneinander, entkorkte sie und kippte mir die Nummer eins schnellstmöglich hinter die Binde. Nach dem zweiten Bier fühlte ich mich angemessen betroffen, nach dem dritten noch mehr. Oder getroffen. Vielleicht sogar beides.
    Auch das vierte Bier erlebte die Mitternacht nicht. Ich widmete es meiner Exfrau. Dann wurde ich sentimental und musste ganz furchtbar rülpsen.

6
    Auch der nächste Tag begann nicht eben gut. Er begann mit einem Blick, der mich ausradieren sollte, und den dazugehörigen Worten: »Sie trauen sich hierher? Hauen Sie ab!«
    Im Flur der Polizeidirektion Mitte stand Kommissar Greiner, die linke Hand an der Türklinke seines Büros, die rechte an einer vollen Kaffeekanne. Er war immer noch so fitnessstudiogestählt wie bei unserer letzten Begegnung, dichtes Haar umwölkte immer noch schwarz glänzend die harte Stirn. Mit anderen Worten: Er sah immer noch aus wie ein Rottweiler auf zwei Beinen.
    »Ist der für Ihren Chef?«, fragte ich und wollte ihm die Kanne aus der Hand nehmen. »Koffeinfrei, hoffe ich.«
    »Finger weg!« Mit links hielt er mich auf Distanz. »Was wollen Sie hier? Betteln und Hausieren verboten, können Sie nicht lesen?«
    »Ich wollte Ihnen zur Beförderung gratulieren. Hat Herr Fischer noch nichts verraten? Kollege Sorgwitz kam ja nicht dafür infrage.«
    Greiner stutzte. Einen Moment zwar nur, aber lange genug für mich, um mein breitestes, schadenfrohestes Grinsen aufzusetzen, zu dem ich morgens fähig war.
    »Koller«, zischte er, »ich warne Sie. Wenn Sie meinen, Sie könnten …«
    Weiter kam er nicht mit Zischen, denn Kommissar Fischer steckte den Kopf aus dem gemeinsamen Büro und schnitt ihm das Wort ab.
    »Kommen Sie rein! Alle beide. Und zwar kommentarlos, wenn ich bitten darf.«
    Folgsam traten wir ein. Während Fischer zu seinem Schreibtisch schlurfte, pirschte Greiner tigermäßig hinter mir her und versuchte, mit den Augen zwei Löcher in meinen Rücken zu brennen. Ich spürte die Stellen ganz genau. Seitlich an einem Tisch saß Kommissar Sorgwitz. Er hatte schon immer etwas Maschinenartiges gehabt. Aber als er mich jetzt sah, wurde er endgültig zum Aufzug: Langsam schraubte sich sein eckiger Körper in die Höhe, bis ihm, oben angekommen, die Kinnlade herunterklappte, damit die Fahrgäste ausstiegen. Fehlte nur noch der Gong.
    »Der?«, röchelte er. Schöne Fahrgäste waren das!
    »Immer mit der Ruhe!«, rief Fischer. »Kein Grund zur Aufregung, wir machen alle nur unsere Arbeit. Herr Koller hat mir gestern Einblick in seine Ermittlungen gewährt, im Gegenzug habe ich ihm bildliches Anschauungsmaterial versprochen. Irgendwelche Einwände? Danke, sehr verbunden. Herr Greiner, wie immer mit Milch und viel Zucker.« Er schob einen zerkauten Becher an den äußersten Rand seines Schreibtischs.
    »Nee, Chef, das kann nicht wahr sein«, wehrte sich Sorgwitz, der vor Empörung fast platzte. Selbst die Kopfhaut unter seiner weißen Igelfrisur leuchtete puterrot.
    »Gonn nüscht wohr sein?«, äffte ich ihn nach und zog mir einen Stuhl heran. Wenn sich der Kerl aufregte, hörte man nur zu deutlich, wes Bundeslandes Kind er war.
    »Einer von uns ist zu viel in diesem Raum!«
    »Dann gehen Sie halt Gassi, Sorgwitz!«
    »Reißen Sie sich am Riemen!«, bellte Fischer. »Alle beide!«
    »Er hat doch recht«, sagte Greiner, seinem Chef einen Kaffee einschenkend. »Heidelbergs prominenter Privatermittler …, wirklich, da kommt einem die Galle hoch!«
    »Ich kann lesen, Herr Greiner. Sie brauchen nichts zu zitieren.«
    »Was zitieren?«, fragte ich.
    »Er oder ich!«, rief Sorgwitz, wild entschlossen zur Rebellion. »Wer die Polizeiarbeit lächerlich macht, hat hier nichts zu suchen. Wir haben schon genug Ärger mit der Presse.«
    »Dass Sie Ärger mit der Presse haben, wundert mich nicht.«
    »Schluss damit!«, fuhr Fischer auf und setzte seinen Becher ab, dass die schwarze Brühe über den Rand schwappte. »Ich habe den Mann eingeladen, dafür brauche ich mich vor Ihnen beiden nicht zu rechtfertigen. Sind wir denn im Irrenhaus hier? Und Sie reißen sich

Weitere Kostenlose Bücher