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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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überzeugt.«
    »Die Arische Front.«
    »Tja.« Fischer drückte missmutig an seiner Nase herum. »Ein Amoklauf war es jedenfalls nicht. Nicht im üblichen Sinn des Wortes. Sondern ein Attentat. Ein geplantes Attentat mit beliebigen Opfern.«
    »Diese Schüsse galten dem ganzen Land.«
    »Das haben Sie schön gesagt. Jedenfalls kann sich Ihr Auftraggeber seine Theorie vom gezielten Anschlag an den Hut stecken. Tut mir leid für Sie, Koller, das wird kein längeres Engagement werden.«
    »Nicht so wichtig. Was mich mehr interessiert: Waren es diese Nazis? Ist das glaubhaft?«
    »Wir kennen die Gruppe nicht. Bisher sind sie noch nicht in Erscheinung getreten, daher wissen wir nicht, wie diese Leute denken. Ob sie überhaupt denken und ob es sie überhaupt gibt. Wir haben diesen Bekennerbrief, unterschrieben von einer Gruppe, die den geplanten Ablauf des Anschlags genau gekannt haben muss. Dass sie sich der Tat nur bezichtigt, ohne mit ihr etwas zu tun zu haben, ist theoretisch möglich, aber nicht wahrscheinlich. Eher schon, dass es sich bei dieser Arischen Front um ein Ablenkungsmanöver handelt und jemand anderes dahintersteckt.«
    »Die Feinde Petazzis.«
    »Ach, Sie haben also gesehen, wie der Täter auf Petazzis Tochter zielte? Haben Sie das, Herr Koller?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das können Sie auch nicht gesehen haben, weil der Mann überhaupt nicht gezielt hat! Er betritt die Bühne, eilt nach vorne und reißt sofort die MP hoch. Schießt blindwütig in die Menge hinein. Wer ganz vorne stand, den traf es. Pech. Petazzis Theorie können Sie vergessen.«
    Ich nickte. »Trotzdem, diese Neonazis … Ich weiß nicht. Was haben die davon? Eine verdammt schlechte Presse und den Hass der gesamten Nation.«
    »Darum geht es doch«, meldete sich Kommissar Greiner aus dem Hintergrund. »Zustimmung interessiert die nicht. Die wollen bloß Hass säen, Schrecken verbreiten. Hauptsache Opfer.«
    »Aber warum zünden sie dann kein Ausländerwohnheim an? Warum machen sie sich nicht über Zigeuner oder Behinderte her? Ein Anschlag auf dem Uniplatz richtet sich doch gegen die eigenen Volksgenossen. Oder hatten beim Konzert der Odenthäler nur Nichtarier Zutritt?«
    »Vor fast 30 Jahren«, sagte Kommissar Fischer, »gab es auf dem Münchner Oktoberfest einen Anschlag mit 13 Toten. Da war der Täter ein Rechtsradikaler. Der sich keinen Deut darum scherte, ob es Deutsche oder Ausländer traf, Frauen oder Kinder, Arier oder sonst wen. Dass hinter den Schüssen auf dem Uniplatz diese Arische Front steckt, ist also zumindest nicht undenkbar, Herr Koller.«
    Ich schwieg. Als die Bombe auf der Wiesn hochging, war ich noch ein Junge. Trotzdem erinnerte ich mich an den Anschlag, aus verschiedenen Gründen.
    »So oder so«, fuhr Fischer fort, »allein aufgrund des Mitschnitts vom Samstagabend wird die Frage, wer für den Anschlag verantwortlich ist, nicht zu klären sein. Uns ist aber noch etwas anderes aufgefallen. Etwas am Verhalten des Schützen direkt nach den Schüssen.«
    »Weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Was macht der Täter? Er flieht nicht sofort.«
    »Nein, er wartet ein paar Sekunden.«
    »Und in dieser Zeit? Na?« Fischers Blick war der eines Prüfers im Examen.
    »Er lässt die MP sinken … greift sich kurz an den Kopf … dann Abgang.«
    »An den Kopf? An den Helm, meinen Sie wohl.«
    »Ja, an den Helm.«
    »Und warum?«
    »Keine Ahnung. Ein Reflex, irgendeine unbewusste Geste. Ich nehme an, der Kerl stand unter Hochspannung.«
    »Ja, vielleicht.« Nachdenklich bearbeitete Fischer seine Nase. »Einer unserer psychologischen Gutachter sagt das auch. Ein anderer meint, der Täter könne sich in diesem Moment seiner Tat bewusst geworden sein. Er erschrickt, fasst sich an den Kopf und türmt.«
    »An den Helm.«
    »Ja, an den Helm, Sie Schlaumeier. Möglicherweise hat die Geste nichts zu bedeuten. Mir kommt sie trotzdem seltsam vor.«
    »Vielleicht ist ihm der Helm bloß verrutscht. Oder er schwitzt, etwas läuft ihm ins Auge, und er macht ganz mechanisch eine Bewegung mit der Hand.«
    »Alles denkbar. Und doch nicht zufriedenstellend für einen Ermittler kurz vor der Rente.« Er stand auf. »Was Sie mit diesen Erkenntnissen anstellen, Herr Koller, ist Ihre Sache. Wenn Sie mich fragen – was Sie nicht tun werden, aber das ist mir egal, ich sage es Ihnen trotzdem. Also, wenn Sie mich fragen, dann überzeugen Sie bitte Ihren Auftraggeber, dass an seiner Theorie nichts dran ist und dass er uns gefälligst unsere Arbeit

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