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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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lassen ihn korpulenter wirken, als er wahrscheinlich ist. Hose, Jacke, Stiefel, Handschuhe, alles aus schwarzem Kunstleder, abgesehen von zwei weißen Streifen auf den Schulterpolstern. Schwarz auch der Motorradhelm: ein fetter, glänzender Kürbis auf den Schultern eines nicht allzu großen Mannes.
    Durch das heruntergeklappte Visier dringt kein Blick von außen, und sei er noch so prüfend. Was da glänzt, sind nicht die Augen des Mörders, sondern die sich spiegelnden Lichter des Uniplatzes. Selbst das Geschlecht des Schützen bleibt hinter Helm und dicker Lederpolsterung verborgen. Allein die Sicherheit, mit der er die Waffe anlegt, lässt auf einen Mann schließen. Frauen traut man diese Kaltblütigkeit nicht zu.
    Dann wieder die Schüsse, die Panik, die Leere der Bühne …
    Noch einmal das Ganze in Zeitlupe. Jetzt erahnt man, durch welche Lücke in der hinteren Bühnenbespannung der Mann sich Zutritt verschafft hat. Vier, fünf hastige Schritte, und er steht neben der Sängerin. Sofort wird die Maschinenpistole hochgerissen, einmal von links nach rechts geführt. Der Rückstoß der Schüsse schüttelt seine Schulter durch. Er setzt ab, greift kurz an seinen Helm, lässt die Hand wieder sinken. Eine Pause von vielleicht zwei Sekunden, höchstens drei, die in der Zeitlupenversion nicht enden will. Schon hat das Schreien eingesetzt, sind die Odenthäler von der Bühne gehastet. Auch der Mörder flüchtet. Er ist weg. Die Schreie sind noch da. Die Bühne schwarz und leer.
    Ich fühlte eine Hand auf meiner Schulter. Die Hand von Kommissar Fischer. Ich legte die Fernbedienung beiseite und zog die Kopfhörer ab.
    »Na?«, brummte er.
    Ich zuckte die Achseln.
    »Kaffee?«
    »Schnaps wär mir lieber.«
    »Haben wir nicht. Also doch einen Kaffee?«
    Ich nickte. Er brachte mir eigenhändig einen Becher, den er eigenhändig füllte, außerdem ein abgepacktes Portiönchen Milch und einen Zuckerspender.
    »Aber nur, wenn es kein koffeinfreier ist«, murmelte ich. Da befand sich der Kaffee längst im Becher. Ich war Greiner und Sorgwitz dankbar, dass sie ihren Mund hielten.
    »Wir hatten ganz schön Glück mit dieser Aufnahme«, sagte Fischer. »Beim SWR sitzt das Geld auch nicht mehr so locker wie früher. Ursprünglich wollten die überhaupt niemanden auf den Uniplatz schicken. Nun ist es wenigstens die Aufnahme mit der fest installierten Kamera geworden.«
    »Glück? Ja, muss man haben.«
    »Sonst noch jemand einen Schluck?«, fragte er. Seine Mitarbeiter schüttelten synchron den Kopf. Seufzend setzte er sich und schenkte sich ein. »Wenn das meine Frau wüsste!«
    »War es denn Glück?«, fragte ich und richtete mich auf. »Ich meine, was bringt Ihnen dieser Film? Über den Schützen verrät er nicht viel.«
    »Und worin besteht dieses nicht viele? Sagen Sie es mir.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ein Mann.«
    »Weiter.«
    »Ein Mann, etwa 1,70 Meter groß, nicht gerade schlank. Im Schießen geübt. Das wars.«
    »Könnte es auch eine Frau sein?«
    »Von der Statur und den Bewegungen her – nein.«
    Er nickte. »Das ist auch unsere Meinung. Ein männlicher Täter, vermutlich 20 bis 40 Jahre alt, mehr gibt die Aufnahme tatsächlich nicht her.«
    »Was haben Sie über seine Klamotten und die Waffe herausgefunden?«
    »Wenig. Kein Markenname auf der Motorradkleidung. Wahrscheinlich abgeschnitten oder übermalt. Die Waffe ist eine MP 7, absoluter Standard. Die hilft uns nicht weiter. Auch die Zeugen, die den Mann sahen, konnten uns keine brauchbaren Hinweise geben.«
    »Überhaupt nichts? Keine Haarfarbe, kein Gesicht?«
    »Der Sichtschutz an seinem Helm war immer heruntergeklappt. Aber dass der Täter so großen Wert darauf legte, nicht erkannt zu werden, sagt auch einiges.«
    Ich nickte. »Amokschützen verhalten sich anders.«
    »In der Regel, ja. Die wenigsten betreiben einen solchen Mummenschanz. Und noch weniger planen ihre Flucht so sorgfältig.«
    »Weiß man, wie sie ihm gelungen ist?«
    »Es gibt ein paar Zeugenaussagen. Der Täter lief zum Marsiliusplatz und stieg dort auf ein Moped. Kurz danach wurde er in der Seminarstraße gesehen. Aber dann: nichts mehr. Wie vom Erdboden verschluckt. Und das bei Tausenden von Menschen in der Altstadt! Wahrscheinlich wartete in nächster Nähe ein Transporter, in den das Moped gehoben wurde. Der Mörder stieg mit ein oder in einen zweiten Wagen. Oder ein Unverdächtiger fuhr das Moped aus der Altstadt heraus.«
    »Er hatte also Komplizen.«
    »Davon sind wir inzwischen

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