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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Hintergrund die Fäden zog. Der dem Schützen sagte, hör zu, nimm die Vordersten aufs Korn, egal, wer da steht.
    »Ein Strippenzieher, genau.«
    Sehr schön übersetzt, Herr Nerius! Und warum greift sich unser Schütze nach der Salve an den Kopf? Ist er vielleicht ebenfalls nicht eingeweiht und muss entsetzt registrieren, dass er soeben seinen eigenen Kumpel in der ersten Reihe umgenietet hat?
    »Er greift sich an den Kopf?«
    An den Helm, Signor Petazzi. Aber das können Sie nicht wissen, Sie haben den Film ja nicht gesehen. Außerdem machen mich diese albernen Gedanken ganz kirre. Hauen Sie ab! Ihre Tochter ist ein zufälliges, sinnloses Opfer geworden, keines, mit dem Sie Ihr Ego streicheln können. Sie hätte sich eine Bratwurst kaufen sollen, anstatt den Fidelen Odenthälern zu lauschen. Sie hätte sich im richtigen Moment die Schuhe binden sollen. Vielleicht hätte sie nie nach Deutschland kommen sollen. Tut mir leid, Signore, und jetzt arrivederci. Ciao basta.
    Ich stand auf. Die Krähe von vorhin hatte Gesellschaft gefunden. Ein ganzer Schwarm schwarzer Vögel saß in einem Apfelbaum am Hang und lästerte über Gott und die Welt. Ich warf noch ein paar Nüsse, ohne zu treffen.
    Genug herumgesponnen! Es brachte sowieso nichts. In meinem Geldbeutel kramte ich nach dem Zettel mit den Notizen von gestern. Beatrices Mitbewohnerinnen hießen Anna und Maike. Ich wählte ihre Nummer und vereinbarte mit einer verschüchtert klingenden Anna ein Treffen um 13 Uhr. Dann würde auch Maike da sein.
    Ich sah auf die Uhr. Bis eins hatte ich noch fast zwei Stunden Zeit. Zeit, um mit einem promovierten Kunsthistoriker ein Hühnchen zu rupfen. Galerie Urban, stand auf meinem Zettel, Bauamtsgasse 4. Ich verstaute mein Handy und rollte den Stiftsweg hinunter.
    Die Bauamtsgasse führt von der Hauptstraße Richtung Neckar. Ein schattiges, ständig feuchtes Sträßchen, auch wenn es seit 15 Jahren hier kein Hochwasser mehr gegeben hat. Das Gebäude, das die Galerie Urban beherbergte, erwies sich als renoviertes Juwel zwischen zwei eingedunkelten Häuschen mit abblätternder Fassade. Seine Ausmaße gaben sich nur dem zu erkennen, der vor der Glasfront der Galerie stand. Durch drei hintereinandergestaffelte Räume ohne Türen fiel der Blick, um erst an der rückwärtigen Wand des letzten zu enden. Und sie waren nicht klein, diese Räume. Die Galerie stellte hauptsächlich nichts zur Schau, unterbrochen nur von der einen oder anderen abstrakten Steinskulptur. Mitten durch diese beeindruckende Leere stiefelte eine dunkelblonde Frau mit Pagenfrisur und einem Handy am Ohr.
    Ich drückte die Türklinke nieder. Geschlossen. Also klopfte ich. Die Frau sah mich, schüttelte den Kopf und telefonierte weiter. Ich zählte langsam bis drei – für jeden Raum eine Zahl –, dann klopfte ich wieder. Natürlich etwas lauter, sonst hätte sie mich ja ignorieren können.
    Irgendwann reichte es ihr, sie kam zur Tür und schloss auf.
    »Was soll das?«, funkelte sie mich an. »Sie sehen doch, dass ich telefoniere. Die Galerie ist heute geschlossen.«
    »Mein Name ist Max Koller. Wenn Ihr Name Nerius ist, möchte ich zu Ihrem Mann.«
    »Ich heiße Urban. Mein Mann ist oben. Hier, die Klingel rechts.« Rums, flog die Tür wieder zu. Die Frau war patzig, aber sie sah prima aus. Dass sie es wusste, tat dem keinen Abbruch. Wenn sie es nicht gewusst hätte, hätte sie womöglich ein weniger enges, weniger grünes Kleid getragen, hätte nicht zu hochhackigen Schuhen gegriffen und sich die Lippen nicht rostrot geschminkt. Gut, dass sie es getan hatte. So kam ihre Biestigkeit noch besser zur Geltung. Ich schenkte ihr ein Abschiedslächeln, das sie nicht beachtete, weil sie schon wieder telefonierte. Auch ihre Augen waren übrigens grün.
    An der Tür nebenan gab es drei Namensschilder, darunter Nerius/Urban. Ich läutete.
    »Ja?«
    »Die Post. Eine Ladung Backpfeifen für Nerius.«
    »Wer bitte?«
    »Heidelbergs prominentester Privatdetektiv. In 3-D und Farbe.«
    »Wie schön! Kommen Sie rauf.«
    Natürlich kam ich rauf. Die freundliche Einladung eines freundlichen arbeitslosen Akademikers. Wenn Nerius gesehen hätte, wie ich die Treppe hochstürmte, hätte er die Wohnungstür verrammelt. So aber öffnete er sie. Im nächsten Moment fuhr ihm meine Hand an die Gurgel.
    »Was soll das?«, stieß er hervor.
    Sofort zog ich die Hand wieder zurück. Vielleicht hatte er doch etwas geahnt. Zum Verrammeln der Tür war er nicht gekommen, dafür hatte er sich einen

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