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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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konnte: Diese Frau besaß die schmalsten Hüften, die ich je gesehen hatte.
    Obwohl irgendwo ein Fenster aufstand, war es warm in der Wohnung. Durch eine offene Tür sah ich ein Mädchen, das beim Telefonieren eine Strähne seiner kastanienbraunen Haare in den Mund steckte. Ich hörte sie dreimal Ja sagen und seufzen. Dann sah sie mich und nickte mir kurz zu. Anschließend fuhr sie mit dem Jasagen fort.
    »Bitte schön«, sagte Maike und stieß eine Tür auf.
    Der Raum dahinter war leer. Leer bis auf ein paar Wandregale, einen Teppich, einen Spiegel und ein E-Piano. Nicht einmal Vorhänge gab es.
    »Interessant«, sagte ich. »Was ist das?«
    »Beas Zimmer.«
    »Das sah bestimmt einmal anders aus.«
    »Klar, was dachtest du?«
    Ich sah in das trotzige, harte Gesicht der Frau. Sie war Ende 20, und wenn sie am Wochenende nicht gerade einen Marathon rannte, vollbrachte sie sonst eine sportliche Hochleistung. Ein Lachen genehmigte sie sich nur an besonderen Tagen. Aber ihre Augen waren von einem Blau, das man sonst nur mit Kontaktlinsen hinbekommt.
    »Ich interessiere mich weniger für Beatrices Zimmer«, sagte ich, »als dafür, was sie in den letzten Tagen getan hat. Mit wem sie Umgang hatte, wer zu ihren Freunden gehörte.«
    »Natürlich«, lachte sie auf. Ein Lachen ohne Freude, es zählte nicht. »Erst kommt dieser Nerius und nimmt ihren persönlichen Kram mit, dann räumen zwei Möbelpacker das Zimmer aus, und jetzt bist du da, um noch ein paar Geschichten abzugreifen. Dich hat doch auch ihr Alter geschickt, oder?«
    »Hallo«, ließ sich eine weiche Stimme hinter ihr vernehmen. Maike machte einen Schritt zur Seite. Die Brünette kam in Sicht.
    »Ich bin Anna«, sagte sie. »War noch am Telefonieren.«
    »Max Koller.«
    Anna hatte ein Paar Schmolllippen, für das der durchschnittliche Heidelberger Kommilitone durch jedes Feuer gehen würde, und einen feuchten Schlafzimmerblick, der auf viele jüngst vergossene Tränen schließen ließ. Sie trug ein weiches Flatterhemd und zwei Halsketten mit Holzschmuck. In der Straßenbahn wurde sie bestimmt noch nach ihrem Schülerausweis gefragt.
    »Und?«, sagte Maike. »Hat ers kapiert?«
    Achselzucken bei Anna. Es entstand eine kurze Pause, die ich mit einem Räuspern beendete.
    »Ich bin tatsächlich im Auftrag von Beatrices Vater hier«, sagte ich. »Allerdings nicht wegen irgendwelcher Geschichten, sondern um ihren Mörder zu finden. Offiziell zumindest. Inoffiziell geht es eher darum, ihren Vater von seinem schlechten Gewissen zu befreien.«
    »Viel Erfolg«, kam es von Maike. Anna sah uns mit großen Augen an.
    »Dass Petazzi hier schon klar Schiff machen ließ, wusste ich nicht. So ist er halt. Wenn er etwas unternimmt, dann gründlich.«
    »Warum gehen wir nicht in die Küche?«, fragte Anna. »Hier herumstehen ist doch doof.«
    Maike ging wortlos vor. Wir kamen an einer geschlossenen Tür vorbei, die das Logo einer Vegetariervereinigung schmückte. Der Taco lag mir plötzlich schwer im Magen. Annas und Maikes Küche war eingerichtet wie tausend andere WG-Küchen, mit IKEA -Regalen und kunterbuntem Geschirr, nur aufgeräumt war sie ungewöhnlich penibel. Wir nahmen an einem runden Holztisch Platz.
    »Tee?«, fragte Maike. »Kaffee?« Sie füllte einen Wasserkocher und stellte ihn an.
    »Danke, lass mal.«
    »Wie meinten Sie das mit dem schlechten Gewissen?«, fragte Anna. »Wieso hat Beas Vater jetzt Gewissensbisse?«
    »Weil er sich nicht um sie kümmerte«, antwortete ihre Mitbewohnerin an meiner statt. »Weil er in dem Jahr, das sie hier wohnte, nichts von sich hören ließ. Kein Anruf, kein Brief. Von einem Besuch ganz zu schweigen.«
    »Aber sie war doch ganz froh, dass er sie in Ruhe ließ. Ihr Verhältnis war ja eher …«
    »Beschissen«, ergänzte Maike rüde. »Das war es.«
    »Hat sie das so gesagt?«, fragte ich.
    »Nein. Sie hat kaum über ihn geredet. Einmal war sie knapp bei Kasse, da sagte sie uns, ihr Alter würde ihr monatlich eine Menge überweisen, aber davon würde sie keinen Cent nehmen.«
    »Kennen Sie ihren Vater?«, wollte Anna wissen. Die Angst, bei Petazzi in Verruf zu geraten, stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    »Ich habe ihn gestern zum ersten Mal gesehen. Er hat mich engagiert, mehr nicht. Wir können uns übrigens duzen. Ich bin Max.«
    »Dann erzähl doch mal, worum es bei diesem Engagement geht.« Maike füllte Teeblätter in einen Filter und hängte ihn in eine selbst getöpferte Kanne.
    »Okay«, grinste ich. »Aber dann will ich

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