Altstadtfest
auch ein paar Informationen von euch. Davon lebe ich schließlich.«
Anna nickte verständnisvoll. Maike verzog keine Miene.
»Also«, begann ich, »Beatrices Vater, der alte Petazzi, behauptet, der Anschlag vom Uniplatz habe einzig und allein seiner Tochter gegolten. Dass es weitere Tote und Verletzte gab, diente seiner Meinung nach bloß zur Verschleierung der eigentlichen Absicht. Ausgeführt und initiiert wurde das Ganze auch nicht von den Neonazis, die durch die Presse geistern, sondern von Italienern, sagt er. Von Leuten, die ihm schaden wollen.«
Die beiden sahen sich an.
»Was?«, hauchte Anna.
»Das ist pervers«, sagte Maike.
»Ja und nein. Nur ein handfester Egomane kann auf so eine Idee kommen; ich glaube, da sind wir uns einig. Man kann sie aber auch als verzweifelten Versuch bezeichnen, der eigenen Tochter nachträglich einen Dienst zu erweisen. Der Mann hat Gewissensbisse. Solange er sich an seine Theorie klammert, kann er wenigstens etwas unternehmen.«
Das Wasser kochte. Maike goss es langsam in die Kanne.
»Meine Aufgabe«, fuhr ich fort, »ist nun, Belege für Petazzis Theorie zu finden. Oder, unausgesprochen: nachzuweisen, dass sie nichts mit der Realität zu tun hat. Deshalb bin ich hier. Erzählt mir etwas über eure Mitbewohnerin.«
Wieder wurden Blicke gewechselt. Anna steckte sich die bewährte Haarsträhne in den Mund. Ihre Augen schimmerten verdächtig.
»Was sollen wir erzählen?«, wollte Maike wissen.
»Fangen wir mit dem Samstag an. Was ist da passiert? Wie verlief ihr Tag?«
Maike richtete ihre blauen Augen auf mich. »Sie hat spät gefrühstückt. Nach neun. Dann ist sie fort, kam gegen drei wieder, mit ein paar Sachen, die sie fürs Wochenende eingekauft hatte, und zog sich in ihr Zimmer zurück. Klavier üben, bisschen was fürs Studium tun. Sie hat mit Anna zusammen zu Abend gegessen und so gegen acht sind beide aufs Fest. Warum grinst du so?«
»Tu ich das? Sorry, war keine Absicht.« Die blonde Maike würde mal eine gute Pressesprecherin abgeben, so viel war klar. »Du bist nicht zum Fest gegangen?«
»Nein.«
»Aber du warst da, als sie ging?«
»Nein, ich war am Samstag überhaupt nicht hier.«
»Ach so?«
»Als sie frühstückte, bin ich los. ’ne Radtour. Allein.«
»Bis zum Abend?«
»Bis Sonntagabend.«
Ich wandte mich Anna zu. »Also stammen diese Angaben von dir.«
Sie nickte.
»Wenn ich nicht mehr gebraucht werde, kann ich ja gehen«, sagte Maike. Im nächsten Moment hatte sie die Küche verlassen. Verblüfft sah ich ihr hinterher. Um diesen Eisklotz aufzutauen, brauchte es verdammt viel heißen Tee.
»Sie hat auch ein schlechtes Gewissen«, flüsterte Anna. »Weil sie Bea an dem Morgen zusammengeschissen hat, wegen dem Geschirr in der Küche. Jetzt tut es ihr leid, dass das ihr letztes Gespräch war. Nehmen Sies ihr bitte nicht krumm.«
»Aha.« Deshalb war die Küche tipptopp aufgeräumt, lag kein Löffelchen in der Gegend herum. Wahrscheinlich spülte Maike seit Sonntagabend ununterbrochen. »Übrigens: Max und du ist okay.«
Das Mädchen nickte. »Bea war ziemlich unordentlich. Sonst … scheiße, sie war echt ein prima Kerl.« In ihren dunklen Augen schimmerte es verdächtig. »Wir hätten nicht auf dieses idiotische Fest gehen sollen.«
»Wessen Idee war es?«
»Unsere gemeinsame. Maike findet den Heidelberger Herbst bescheuert, aber wir beide kannten ihn noch nicht. Mittags oder so sprachen wir drüber und bekamen Lust, abends hinzugehen.«
»Es war also ein spontaner Entschluss?«
»Ja.«
»Seid ihr alleine hin?«
»Ja, aber wir trafen gleich einen Freund von mir, Joe. Mit dem haben wir was in der Hauptstraße getrunken und uns dann zum Uniplatz durchgeschlagen. Es war ja so unglaublich voll.«
Maike kam zurück, eine Tasse in der Hand. Sie schenkte sich und Anna ein.
»Kannst du mir erzählen, was dort passiert ist?«
»Ja, klar.« Anna schluckte. »Auf dem Uniplatz verlief es sich ein wenig. Wir gingen nach hinten, Richtung Mensa, und kauften uns was zu essen. Bea eine richtig fette Rostwurst, die stand auf so was. Hauptsache deutsch. Joe besorgte noch eine Runde Bier, und dann sagte Bea, sie wollte die Band, die gerade spielte, aus der Nähe hören. Wir lachten noch drüber, weil das so nach aufgemotztem Volksmusikgedudel klang, aber ihr war das egal. Hauptsache deutsch halt. Wir quatschten eh gerade mit anderen Leuten, da zog sie los. Wollte auch gleich wiederkommen.« Sie machte eine Pause und starrte aus dem Fenster.
Weitere Kostenlose Bücher