Altstadtfest
Appetit.«
»Die haben sich alle den Magen verkleinern lassen«, entgegnete ich. »Das gehört sich so in den besseren Kreisen. Hatte ich völlig vergessen.«
Aus Austern machte ich mir ohnehin nichts. Ich legte einen Mortadellalappen, ein Salatblatt und drei Käsewürfel zwischen die Hälften eines Ciabattabrötchens. Außerdem steckte ich mir in einem unbeobachteten Moment eine halbe Salami in die Hosentasche. Auf Teller und Papierserviette, die mir Covet anbot, verzichtete ich.
»Guten Appetit.«
»Gleichfalls.«
Die Mortadella war exzellent. Ich sah mich um. Covet kaute, ich kaute, alle kauten. Die Kollektivbewegung unserer Kiefer sorgte für Gleichheit unter Diplomaten, Politikern und Privatflics. Vive l’Egalité! Da war kein Gaumen, der nicht unter Wasser stand, kein Adamsapfel, der sich nicht bewegte, keine Bauchspeicheldrüse, die nicht ihre Arbeit verrichtete. Bloß Petazzi hielt sich von den Kauenden fern. Und Renate Urban, die immer noch dem Quartett zu lauschen hatte.
Dann sagte jemand »Oops«, und Covet hatte Weißwein auf der Hose. Allerdings nicht seinen eigenen.
»Ach du meine Güte, das ist mir jetzt aber peinlich«, kicherte der treffsichere Schütze. Die Schützin, genauer gesagt. »Da hab ich wohl nicht aufgepasst. So was passiert in diesem Gedränge schon mal.«
»Ach ja?«, brummte Covet.
»Tut mir wirklich leid«, sagte sie, doch ihre Miene verriet das Gegenteil. Sie war um die 20, trug das brünette Haar nachlässig hochgesteckt und versuchte, ihr Gekicher hinter fünf beringten Fingern zu verbergen. Den Rest, also alles, was sich zwischen diesem Gekicher und ihren Füßen befand, versuchte sie eher nicht zu verbergen. Ihr Kleid war oben knapp und unten knapp, sogar in der Mitte gab es Aussparungen, und was an Stoff vorhanden war, bestand aus einem türkis schillernden Kunstlederimitat. Bestimmt quietschte es, wenn man mit dem Finger darüberfuhr.
Ich starrte auf das Kleid, Covet auf seine Hose, und das Mädchen hörte gar nicht mehr auf zu kichern.
»Nun gucken Sie doch nicht so böse«, sagte sie. »Ich habs ja nicht mit Absicht getan. Im letzten Raum gibt es übrigens eine Toilette.«
»Danke für den Hinweis«, knurrte Marc. Er warf mir einen Viel-Spaß-noch-Blick zu und trollte sich.
»Ist mir echt peinlich!«, rief sie ihm hinterher. Dann gehörte mir ihr Strahlen ganz allein.
»Gut gezielt«, sagte ich. »Sind Sie im Schützenverein?«
»Ich weiß, wer Sie sind. Max Koller, der Detektiv! Trinken wir einen zusammen?«
»Um Gottes willen! Ich hab nur das eine Hemd.«
Sie explodierte fast vor Lachen. Das schien überhaupt eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen: Lachen in all seinen Erscheinungsformen. Kichern, Giggeln, Prusten, Grienen, Lächeln, Losplatzen. Und nur, weil wir auf einer Trauerfeier waren, verzichtete sie auf Schenkelklatschen. Während sie vibrierte wie ein Wackelpudding, schaute ich mich nach der Bedienung um. Doch die war nicht zu sehen.
»Sie sind wirklich ’ne Kanone«, sagte die junge Frau in Türkis.
»Woher wissen Sie das?«
»Sieht man doch. Heute Morgen waren Sie in der Zeitung. Mit ’nem echt scharfen Foto. Haben Sie schon was herausgefunden?«
»Na klar. Hier wimmelt es von Verdächtigen.«
»Ich auch?«, hauchte sie und warf mir von schräg unten einen Blick zu, der nicht halb so anzüglich geriet wie erhofft.
»Verdächtig würde ich Sie nicht gerade nennen.«
»Sondern?«
Türkis, lag mir auf der Zunge. Und noch eine Menge anderer Adjektive. Stattdessen sagte ich: »Mutig.«
»Mutig?«, lachte sie und klimperte mit den Lidern. »Ich habe noch ein ganz anderes Kleid zu Hause. Da würden Sie Augen machen, ei, ei, ei!«
»Ich meinte nicht das Kleid. Ich meinte Ihre Weißweinattacke auf meinen Kumpel. Der ist Journalist; mit etwas Pech stehen Sie morgen in der Zeitung. Wie ich, aber ohne nette Beiworte.«
»Ach du herrje«, machte sie mit gespieltem Schrecken. »Bitte verraten Sie ihm nicht, dass ich das mit Absicht getan habe. Wie hätte ich sonst ungestört mit Ihnen quatschen können?«
Ich steckte den Rest meines Mortadellabrötchens in den Mund. Kauend sagte ich: »Wir Privatdetektive stehen nicht auf unreife Frauen.«
»Ooch, das war jetzt aber nicht nett.« Sie zog eine Schnute und versuchte, beleidigt auszusehen. »Ich sage ja auch nicht alter Mann zu Ihnen.«
»Waren Sie eine Freundin von Beatrice?«
»Von wem? Ach so, die meinen Sie. Nein, nein, die kannte ich gar nicht.« Sie hakte sich bei mir ein und drückte sich an
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