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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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mich. »Ich hätte sooo Lust auf ein Scheibchen Mortadella. Würden Sie mir eins besorgen? So echt kavaliersmäßig?«
    Ich sah sie amüsiert an. Sie war ein türkiser Witz in einem Ozean von Ernst, und wem nach Lachen zumute war, landete mit ihr einen Volltreffer. Kräftige Waden hatte sie und glatte Haut, aus den Lücken ihres Kleides quoll rosiges Hüftfleisch. Runde, volle Schultern, Stupsnase und Grübchen. Irgendwer würde ihr schon noch beibringen, dass sie zu laut sprach.
    »Gerne«, sagte ich und machte mich los. Mit einer Gabel nahm ich einen Lappen Mortadella von der Platte und hielt ihn ihr hin.
    »Aber doch nicht so! Wie soll ich das denn essen? Sie müssen die Scheibe zusammenrollen und mir in den Mund stecken. Hier, bitte!« Sie beugte sich vor, schloss die Augen und formte mit ihren Lippen ein entzückendes O.
    »Nö«, sagte ich und steckte mir die Wurst in den Mund.
    »He!«, machte sie empört, bevor ihr Lachen wieder die Oberhand gewann. »Was sind denn Sie für einer? Keine Manieren, keinen Anstand, nichts!«
    »Wie man sich halt auf einem Kindergeburtstag benimmt. Erzählen Sie mir Greisengesicht lieber, welche Verbindung Sie zu den Petazzis haben.«
    »Ich? Gar keine. Papa ist Chefarzt in der Kopfklinik und kennt diesen Petazzi von früher. Hat ihn mal operiert, glaube ich. Und Mama, die ihn begleiten sollte, hat wie immer Migräne, typisch. Da bin ich halt mit.«
    Sie betonte Papa und Mama auf der letzten Silbe, wie in Filmen der 50er-Jahre. Hinter ihr sah ich Petazzis Koloss auf uns zusteuern. Es dauerte eine Weile, bis er sich durch die Menge gekämpft hatte.
    »Ihr Vater hat den alten Petazzi operiert? Nicht Beatrice, die Tochter?«
    »Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Ist doch auch egal.« Schon fing sie wieder an zu kichern. »Oder verdächtigen Sie etwa Papa? Geil!«
    Der Leibwächter hatte uns erreicht. Er räusperte sich, ohne meine Gesprächspartnerin in ihrem Quietschekleid auch nur eines Blickes zu würdigen. Ausgerechnet dieser Testosteronjunkie!
    »Draußen steht jemand, der behauptet, Ihr Assistent zu sein«, sagte er. »Soll ich ihn hereinlassen?« Er sprach mit Akzent, aber flüssig. Was bei seinen diversen Qualitäten ja kein Wunder war. Dass ich trotzdem staunte, hatte andere Gründe.
    »Mein … Assistent?«, fragte ich zurück. Die Türkise riss die Augen auf vor Bewunderung.
    »Lügt der Mann? Gut. Lügner landen auf der Straße.« Schon wollte das Monstrum wieder fort.
    »Moment, Moment! Mein Assistent, warum sagen Sie das nicht gleich? Geht in Ordnung. Welcher meiner Mitarbeiter ist es denn? Der Dicke?«
    »Ein schlanker Herr. Mit Locken. Ihre Größe.«
    »Ach, der.« Ich nickte. »Schicken Sie ihn zu mir. Sagen Sie ihm, ich hätte ein Hühnchen mit ihm zu rupfen.«
    Der Italiener verduftete.
    »Cool«, machte die Türkise. »Assistenten hat er auch. Brauchen Sie keine Sekretärin?«
    »Danke, nein«, murmelte ich und ging alle meine Bekannten mit lockigem Haar durch. Keiner von ihnen wusste, dass ich hier war. Außer Marc natürlich, aber der wusch sich gerade Weißweinflecken aus der Hose. In Sichtweite standen zwei Lockenköpfe. Der eine war zu kurz und zu breit, der andere war dünn, stellte sich aber, sobald er sich umdrehte, als Frau heraus.
    »Ich wäre toll als Sekretärin«, plapperte mein Gegenüber fröhlich weiter. »Wirklich, wir sollten es ausprobieren. Ich würde dir jeden Morgen einen Whisky – oh, jetzt habe ich dich geduzt!« Glucksend schlug sie die Hände vor den Mund. »Ist das okay? Darf ich dich duzen?«
    »Du hast es ja schon getan. Also, ich bin Max.«
    »Greta!«, jubilierte sie, ihr Glas gegen meines schmetternd. Dann fiel sie mir um den Hals und drückte mir einen Kuss von der Wucht eines Behördenstempels auf die Wange. »Prost, Max! Auf gute Zusammenarbeit!«
    »Und was sagt das Jugendamt dazu?«, brummte ich, immer noch nicht richtig bei der Sache. Wer kam auf die dämliche Idee, sich als mein Assistent auszugeben? Fatty traute ich es zu, aber der schied aufgrund der Beschreibung aus.
    »Pass auf, Max, wir besorgen uns noch was zu trinken, und dann stell ich dich Papa vor.« Sie senkte die Stimme ein wenig. »Der ist zwar ein langweiliger Esel, aber das kann dir ja egal sein.« Sie senkte sie noch weiter. »Im Bett bringt ers auch schon lange nicht mehr, deshalb hat Mama dauernd Migräne.«
    »Lass mal. Das verschieben wir. Nichts gegen Papa, nur muss ich mich jetzt um meinen Assistenten kümmern. Am Ende frisst er wieder alle Platten leer

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