Altstadtfest
andere, und die sind Gott sei Dank nicht hier.«
»Mein Name ist Robert Usedom. Ich bin Schriftsteller. Hauptsächlich Romane. Keine Bestseller, aber der eine oder andere hat meinen Namen schon gehört.«
»Ich wollte da mal hinfahren.«
»Wie? Ach so, nach Usedom. Ja, schöne Gegend. Trotzdem, in Heidelberg lebt es sich besser.«
»Vor allem am Samstagabend um Viertel nach acht auf dem Uniplatz.«
Für einen kurzen Augenblick wurden seine Gesichtszüge hart. Er kippte seinen Wein entschlossen hinunter, um anschließend ins leere Glas zu starren. »Das sollten Sie nicht sagen«, murmelte er.
»Dann sagen Sie mir, was ich sagen soll.«
»Ich habe Beatrice gut gekannt.«
»Tut mir leid.«
»Ja, mir auch. Ich weiß einiges über sie und ihren Vater. Deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen. Heute Mittag schon, aber da waren Sie in Eile.«
»Ach, Sie waren das!« Jetzt fiel es mir wieder ein. »Der Typ vor meinem Haus, der die Namensschilder inspizierte.«
»Ja, ich … Maria hat mir Ihre Adresse gegeben. Ich wollte Sie nicht aufhalten, und vielleicht ist heute Abend ohnehin der bessere Zeitpunkt.«
»Welche Maria? Doch nicht die Wirtin vom Englischen Jäger?«
»Wer denn sonst? Ich bin dort jeden Sonntag zum Frühschoppen. Und von Ihnen wird viel geredet.«
»Verstehe.« Das war ja interessant. In meiner Lieblingskneipe hatte ich Usedom noch nie gesehen. Kein Wunder, wenn er sich nur am Sonntagvormittag dort blicken ließ. Schriftsteller sind so ziemlich das Letzte, über das man im Englischen Jäger spricht. Zumindest an meinem Tisch.
»Deshalb sagte ich, dass es sich in Heidelberg ganz gut lebt. Weil es noch kleine Paradiese wie den Englischen Jäger gibt.«
»Das sehen gewisse Bauträger ganz anders. Aber nun erzählen Sie mir, in welchem Verhältnis Sie zu Beatrice standen. Nein, Moment, lassen Sie mich raten.« Mir war eine Bemerkung Maikes eingefallen. »Das E-Piano ist von Ihnen, stimmts?«
Er lächelte. »Genau.«
»Waren Sie Beatrices Freund?«
Das Lächeln verschwand. »Nicht der Freund«, antwortete er. »Ein Freund. Sie war ja nicht mal halb so alt wie ich. Aber es war eine gute Freundschaft. Etwas Besonderes.«
Etwas Besonderes, soso. Für ältere Herrschaften ist es das immer, sobald sie eine knackige Studentin mit ihren gesammelten Lebensweisheiten beglücken dürfen. Eine Begegnung mit Greta war auch etwas Besonderes, in jeder Hinsicht. Aus dem Augenwinkel sah ich ihr Kleid in einem Winkel des Raums aufblitzen.
»Wir haben viel miteinander gesprochen«, fuhr Usedom fort. »Über ihr Leben, ihre Pläne. Nächtelang. Über ihren Vater weniger. Trotzdem weiß ich mehr als jeder andere.«
»Und das wäre?«
»Das hier«, sagte er und beschrieb mit einer Hand einen großen Bogen, »ist eine einzige große Lüge. Florentiner Karneval, hat überhaupt nichts zu bedeuten. Petazzi ist froh, dass er Beatrice los ist. Die beiden hatten sich nichts mehr zu sagen.«
»Kommt vor.«
»Ja, kommt vor. In den besten Familien. Aber dass man daraus einen großen Mummenschanz macht und dass dieser Mummenschanz wiederum dem eigenen Image dient – man will ja schließlich gewählt werden – das kommt eher selten vor. Wissen Sie, wie oft Beatrice von Heidelberg nach Florenz geflogen ist?«
»Einmal?«
»Exakt, Herr Koller, ein einziges Mal. Um Freunde aus ihrer Schule zu treffen. Telefonate mit ihrem Vater, Briefe? Nichts. Petazzis Sekretärin meldete sich monatlich bei ihr und regelte das Finanzielle, verstehen Sie?«
»Ich dachte, sie wollte sein Geld nicht.«
»Gut recherchiert. Sie hat es in der Tat nicht angerührt. Lieber jobbte sie in Kneipen, das sagt doch alles.«
»Und ihre Mutter?«
»Von der wusste sie nichts. Beziehungsweise nur Negatives: was Petazzi ihr erzählte. Für ihn war die Flucht seiner Frau gleichbedeutend mit Hochverrat; am liebsten hätte er sie dafür hinter Gitter gebracht. Und als er merkte, dass seine Tochter ihr in vielem nachschlug, übertrug er seinen Hass auf sie.«
»Und?«
»Was und? Ist das nichts? Sind das keine Informationen? Ich weiß nicht, was für ein Märchen Ihnen der Alte erzählt hat, aber mit der Wahrheit hat es nichts zu tun. Die Mörder seiner Tochter finden – Quatsch! Petazzi setzt sich bloß in Szene, damit er eine gute Presse hat und das Mitleid seiner potenziellen Wähler.«
»Wollen Sie nicht, dass Beatrices Mörder gefunden wird?«
»Doch, natürlich. Von der Polizei, ohne dass Petazzi seine Finger darin hat. Geben Sie den Auftrag
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