Altstadtfest
zurück, Herr Koller. Es würde Sie ehren.«
Nun musste ich lachen. »Den Auftrag zurückgeben? Ich soll mein Engagement beenden? Nichts für ungut, Herr Usedom, aber das lassen Sie mal schön meine Sache sein.«
»Tun Sies nicht für mich, sondern für Beatrice.«
»Sie meinen, das wäre in Beatrices Sinne: dass ich nicht nach ihrem Mörder suche?«
»Sie hat ihren Vater gehasst«, stieß er hervor. »Und sie hatte allen Grund dazu. Wenn sie wüsste, was er für eine Show veranstaltet, würde sie ihn …« Er brach ab, eine Hand wie in ohnmächtiger Wut erhoben.
»Umbringen?«
»Wie gesagt, sie sprach ungern über ihn. Aber sie hat mir einmal einen Text gezeigt. Eine Art Traumerzählung, sehr persönlich. Mich als Schriftsteller interessierte das natürlich. Daraufhin war mir einiges klar.«
»Nichts gegen Träume, aber …«
»Sie haben ihn doch kennengelernt, diesen Machtmenschen.« Flammende Röte überzog Usedoms Gesicht. »Ein faschistoider Typ, der nur eines will: herrschen. Alle sollen nach seiner Pfeife tanzen, seine Familie, seine Angestellten, die Wähler. Wehe, einer versagt ihm die Gefolgschaft! Dann fängt es in seinen kaputten Beinen an zu jucken, und weil er nicht als Krüppel gelten will, hängt er den Diktator raus.«
»Sind Ihre Romane auch so geradeaus?«, grinste ich. »Oder geht es da ein bisschen subtiler zu?«
»Sie glauben mir nicht, was?« Er sprach nun so schnell, dass er sich verhaspelte. »Tut mir leid, Herr Koller, dann haben Sie nicht gut recherchiert. Fragen Sie Italiener, was sie von Petazzi halten. Natürlich nicht die Idioten von der Lega Nord. Alle anderen werden es Ihnen bestätigen: Petazzi ist eine Gefahr für die Demokratie. Lesen Sie, was er über Mussolini schreibt. Über Schwarzafrikaner oder über die jüdische Mafia, die New York in ihren Klauen hält.«
»Das klingt ja, als gäbe es eine Verbindung zwischen Petazzi und den rechtsradikalen Attentätern. Zumindest eine geistige.«
Usedom zuckte die Achseln. »Vielleicht hat er sie sogar angestiftet. Nein, das traue nicht einmal ich ihm zu. Aber schuld ist er an Beatrices Tod. Hätte er sie nicht so mies behandelt, wäre sie vielleicht nie nach Deutschland gekommen.«
»Und könnte jetzt noch leben?« Ich schüttelte den Kopf. »Jetzt kommen Sie mal wieder auf den Teppich. Ich verstehe, dass Sie sauer und traurig sind, aber nun möchte ich auch ein paar Dinge klarstellen. Erstens: Sie erzählen mir nicht viel Neues. Ich wusste, dass das Verhältnis zwischen Vater und Tochter schlecht war. Das herauszufinden, war nun wirklich keine Kunst.«
»Es war nicht bloß schlecht«, unterbrach er mich wütend. »Die beiden haben sich gehasst!«
»Zweitens: Bitte sagen Sie mir nicht, wie ich meinen Beruf auszuüben und welche Aufträge ich zurückzuweisen habe. Ich rede Ihnen ja auch nicht in Ihre Arbeit rein.«
Er funkelte mich an. Seine Nasenflügel bebten.
»Außerdem, und das ist Punkt drei, hege ich einen Verdacht, worum es Ihnen in Wahrheit geht. In Ihnen hat sich Wut gegen Petazzi aufgestaut, und Sie würden ihm gerne all das, was Sie mir eben erzählt haben, ins Gesicht schreien. Bloß trauen Sie sich nicht. Sie möchten den Typen um uns herum die Maske entreißen, die ganze verlogene Feier als Heuchelei entlarven, aber dazu reicht Ihr Mut nicht. Deshalb kommen Sie zu mir, in der Hoffnung, dass ich dem alten Petazzi mal kräftig einheize. Hier, du Bonze, hast du deinen Auftrag zurück; mit Faschisten mache ich keine Geschäfte.«
»Das denken Sie also?«, keuchte er. »Sie denken, ich bin zu feige?«
»Sie sind Schriftsteller«, grinste ich.
»Dann schauen Sie jetzt genau hin, Sie Großmaul.«
Im nächsten Moment stand ich allein da. Ich sah Usedom mit wehendem Mantel nach hinten eilen und folgte ihm, Unheil witternd. Im Vorbeigehen grapschte er nach einem verlassenen Weinglas. Dass er Gäste anrempelte, schien er nicht einmal zu bemerken. Ich beschleunigte meine Schritte und trat gerade noch rechtzeitig in den Innenhof, um zu sehen, wie er sich vor Petazzi aufbaute und ihm den Inhalt des Glases ins Gesicht schüttete.
Petazzi schrie auf. Sogar sein Leibwächter reagierte zu spät.
Bevor ich etwas sagen oder rufen konnte, trat Usedom den Rückzug an. Noch nie habe ich einen Dichter derart flitzen sehen.
»Du Idiot«, dachte ich und schloss die Augen. »Du verdammter, durchgeknallter Idiot!«
»Ist was passiert?«, fragte Wolfgang Nerius hinter mir.
An diesem Abend lernte ich eine Menge italienischer
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