Altstadtfest
klangen, als sich mein Handy meldete. Das Display zeigte keine Rufnummer an.
»Das scheint mein Anruf zu sein«, sagte ich zu Usedom, hängte die Jacke über und stand auf. »Ich verschwinde mal besser nach draußen, der Kerl ist einer von der nervösen Sorte.«
»Alles klar.«
Auf dem Weg zur Tür nahm ich das Gespräch an. »Koller?«
»Haben Sie das Geld?« Er war es tatsächlich. Ich griff nach der Türklinke, als der Schriftsteller plötzlich neben mir stand und mir ein paar zusammengeheftete Blätter in die Hand drückte.
»Lesen Sie das bitte«, flüsterte er. Die Papiere entgegennehmend, wimmelte ich ihn ab.
»Hey, bist du allein?«, fragte das Frettchen. »Wenn du außer dem Spaghetti jemanden informiert hast, sage ich kein Wort. Nix, verstehst du?«
»Ganz ruhig«, antwortete ich und trat hinaus auf den Bürgersteig. »Ich bin allein. Wir können reden.«
12
Tiefe Pfützen und glänzender Asphalt zeugten vom Wirken des vormittäglichen Regens. Mit immer noch klammen Hosen überquerte ich den Neckar. Ich fuhr nicht nur auf der falschen Seite der Theodor-Heuss-Brücke, sondern telefonierte auch noch dabei.
»Schon wieder Sie«, raunzte mich der Kommissar an, als wüsste er um meine Verstöße gegen die Verkehrsregeln. »Um welche Ihrer Absteigen geht es jetzt?«
»Falsche Baustelle, Herr Fischer. Mein Informant hat sich gemeldet.«
»Und?«
»Er will sich mit mir am Neckar treffen. Mit Geldübergabe und allem Drum und Dran.«
»Wann?«
»Jetzt. Ich bin schon unterwegs. Der Kerl hat es verdammt eilig, er stirbt fast vor Lampenfieber.«
»Soll ich Ihnen ein paar Spezialkräfte schicken? Das kann ich aber nur, wenn es sich wirklich lohnt. Falls Sie hier aus einer Mücke einen Elefanten machen …«
»Ich mache gar nichts, Herr Fischer. Woher soll ich wissen, wie glaubwürdig der Typ ist? Irgendeine Information wird er vermutlich für mich haben, aber ob sie etwas taugt, werden wir sehen. Mir würde es reichen, wenn ich wüsste, dass im Hintergrund zwei Ihrer Leute warten. In Zivil natürlich. Und sie dürfen nur im Notfall eingreifen.«
»Wo ist Ihr Treffpunkt?«
»Auf dem Solarboot.«
»Das Solarboot fährt bei diesem Wetter?«
»Angeblich, ja. Ich vermute, dass er sich vom Anleger aus gemeldet hat.«
»Und wohin werden Sie schippern?«
»Keine Ahnung. Soviel ich weiß, pendelt das Boot zwischen Altstadt und Neuenheimer Feld hin und her. Ihre Leute sollen sich unbedingt im Hintergrund halten, klar? Geben Sie mir eine Handynummer, über die ich sie kontaktieren kann.«
»Verstanden, zu Diensten, mach ich gerne!«, plärrte er ungehalten. »Sie haben vielleicht einen Kommandoton drauf, Koller!«
»Sorry, ich bin in Eile. Um eins legt das Schiff ab.«
Grummelnd und grantelnd überbrückte der Kommissar die folgende Gesprächspause, bevor er mir eine Handynummer durchgab. Ich hielt kurz an, um sie abzuspeichern.
»Danke. Drücken Sie mir die Daumen.«
»Mast- und Schotbruch, Herr Koller. Aber tischen Sie mir bloß kein Märchen à la Petazzi auf, hören Sie? Und werden Sie nicht seekrank da draußen.«
Auf dem Solarboot kann man nicht seekrank werden. Flach und ruhig liegt es im Wasser, ein Edelstahlkatamaran, den eine bogenförmige Glaskonstruktion überwölbt. Als ich mein Rad kurz vor der Alten Brücke an ein Geländer kettete, wurde mir klar, warum das Frettchen das Boot als Treffpunkt gewählt hatte. Einmal an Bord, konnte sich niemand verstecken. Hier war alles offen, jeder Ort jederzeit einsehbar, sogar der Steuerplatz des Kapitäns. Stille Ecken gab es reichlich. Von den über 50 verchromten Stühlen im Innern des Glasgewölbes wurde heute nur eine Handvoll in Anspruch genommen. Hatte man erst einmal das Ufer verlassen, war man ungestört.
Das Frettchen stand etwas entfernt im Schatten der Brücke und versteckte sich hinter einer Zeitung. Als der Kleine mich sah, gab er mir ein Zeichen: Rein ins Boot! Betont gelassen schlenderte ich zum Anlegesteg und kaufte mir ein Ticket. Der Steg führte vom Trottoir ein paar Meter abwärts zu einem Ponton, an dem der Katamaran angedockt hatte. Noch fünf Minuten bis zur Abfahrt. Im Heck stand ein älteres Pärchen mit Regenschirmen in der Hand und blätterte in einem Stadtführer. Eine vierköpfige Familie in knallbunter Outdoorkleidung hatte sich einen der quadratischen Tische reserviert; nun wurde in Rucksäcken gekramt, nach Keksen gesucht, um Süßigkeiten gestritten. Sechs Personen, dazu der Kapitän und ich. Das wars. Eventuell stieg
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