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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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besser. Ich setzte mich aufrecht, um durch die offene Tür des Wagens das Treiben rund um die Anlegestelle verfolgen zu können. Das Solarboot lag wieder still am Ponton, die Taue hatten gehalten. Um die Passagiere kümmerten sich mehrere Polizeibeamte. Kommissar Fischer erschien und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. Dann gab er mir einen Schulterklaps und brummte, ich solle erst einmal zu mir kommen. Ich nickte. Der Platz um die Leiche des Frettchens wurde großräumig abgesperrt.
    Eingehüllt in meine Deckenberge, sah ich zu, wie der tote Körper begutachtet, vermessen, fotografiert wurde. Der eine Schuss aus kürzester Entfernung hatte dem Kleinen die Stirn auseinandergerissen und einen Teil der oberen Schädelplatte gleich mit. Wer machte hier eigentlich sauber, sobald die Leiche abtransportiert war? Gab es für solche Arbeiten ausgebildete Leute? Und wie nannte man sie? Leichenrestebeseitiger, Blutwegputzer? Oder überließ man diese Arbeit den Krähen, den Käfern und Würmern?
    Drüben, auf der anderen Neckarseite, ließ sich ein Reiher im Gebüsch nieder. Die Zweige schwankten, als der schlanke Vogel auf ihnen landete. Zwei Frauen mit Kinderwagen spazierten den Leinpfad entlang, wurden von einem Jogger überholt. Von uns nahmen sie kaum Notiz.
    Diese Seite, jene Seite. Dazwischen der Fluss. Eben noch hatte das Frettchen am Kai gestanden und Zeitung gelesen. Oder so getan, als läse es Zeitung. Jetzt war es drüben, auf der anderen Seite. Kein Geld, keine Flucht, kein Nix mehr. Nur noch das große Nix. Das leere, echolose Nix, das auf uns alle wartet. Der Kleine hatte sein Portemonnaie gezückt: seine letzte Handlung. Zum Zahlen war er nicht mehr gekommen. Er hatte Schritte gehört und sich umgedreht. Ein Mann mit Schal. Das Mündungsfeuer eines schweren Revolvers. Nix.
    Der eiserne Steg quietschte leise, wenn ihn einer der Spurensicherer betrat. Von hier unten sah ich nur einen Teil der Leiche. Das Gesicht, beziehungsweise das, was davon übrig geblieben war. Und die linke Hand, die über den Steg hinaus in die Luft ragte. Immer wieder suchte ich die Augen des Toten, irgendetwas zwang mich dazu. Schlechtes Gewissen wahrscheinlich.
    »Na, glaubst du mir jetzt, Schnüffler?«, hörte ich das Frettchen sagen. »Kapierst du endlich, wie viel meine Informationen wert waren? Hoffentlich tut es dir leid, dass du mich ausgelacht hast. Das macht man nämlich nicht: andere Menschen auslachen. Verstehst du?«
    Nein, lachen würde ich nie wieder über den Kleinen, ganz bestimmt nicht. Ich hätte spüren müssen, dass er die Wahrheit sagte. Seine Angst hätte es mir verraten müssen. Stattdessen hatte ich mir einen Spaß daraus gemacht, mit ihm zu spielen. Es war ein Fehler gewesen. Ein amateurhafter, tödlicher Fehler.
    Und nicht mein einziger. Wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich ausnahmslos Fehler begangen. Der erste und entscheidende Fehler war die Annahme von Petazzis Auftrag, so sah es zumindest Robert Usedom. Als Nerius den Artikel über mich in die Neckar-Nachrichten setzte, drohte ich ihm Prügel an, und was geschah? Prompt meldete sich der Informant. Den ich dann so lange hinhielt, bis er aufflog. Meine eigenen Nachforschungen, mein Besuch bei Maike und Anna: ergebnislos. Weil ich Usedom provozierte, bekam Petazzi ein Glas Weißwein ins Gesicht. Und zwischendrin warf ich meiner Exfrau die falschen Sachen an den Kopf. Dass ich mich von ihr getrennt hatte, war möglicherweise der größte Fehler von allen gewesen.
    Ich war ein Versager. Keine Widerrede. Selbst der Ticketverkäufer hätte es wahrscheinlich ohne mich an Land geschafft. Auf Fischers Gardinenpredigt freute ich mich schon.
    Mir fiel nur eine Sache ein, bei der ich richtig gelegen hatte. Ich hatte Petazzi gesagt, dass ich seine Theorie für Unsinn hielt. Und weil das stimmte, war mein Auftrag beendet. Der Italiener konnte nach Hause fahren. Ciao. Mit dem Tod des Frettchens war erwiesen, dass es die Arische Front gab und dass sie den Anschlag auf dem Uniplatz verübt hatte. Da biss keine Maus, auch keine italienische und so weiter. Finito, basta. Wer genau diese Rassenfanatiker waren und für welche Weltherrschaft sie kämpften, würde der Verfassungsschutz ermitteln. Der Mohr, und das war ich, hatte seine Schuldigkeit getan. Noch so ein Stück, das in Italien spielte. Mit echt italienischen Auftragskillern. Die gab es in Heidelberg nicht, es gab auch keine Verschwörung gegen Petazzi und damit keine Möglichkeit für ihn, dem Tod

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