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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Klapse, das können Sie mir glauben. Keine Augäpfel mehr. Und ich hatte den Sprengstoff besorgt.« Er griff zu seinem Wein und nahm einen Schluck. »Also wieder was gegen die Gewissensbisse gespritzt. Wen juckte es? Aber die Drogen waren auch mein Glück. Denn jetzt gab es Unterstützung, gab es Programme, Kuren, Wiedereingliederungsmaßnahmen. Sobald man in mir das Opfer sah, wurde mir geholfen. Ich musste mir nur helfen lassen. Als ich einigermaßen wieder auf dem Damm war, schickten sie mich für ein paar Monate nach Mittelamerika. Entwicklungshilfe und Resozialisierungsmaßnahme in einem: bei der Ernte mit anpacken, den Dschungel roden und Brunnen bohren. Und wissen Sie, was? Es war großartig. Ich blieb drei Jahre. Kam zwar mit einer Malaria zurück, die mich fast das Leben gekostet hätte, aber ich war endlich wieder zu etwas zu gebrauchen. Und drüben im Dschungel lernte ich das Schreiben.«
    Erneut ging die Kneipentür. Ich drehte mich um, aber es war nur einer der üblichen Gäste.
    »Als ich zurückkam, war Deutschland gerade wiedervereinigt«, fuhr Usedom fort. »Und es dauerte nicht lange, da kam alles wieder hoch. Mitstreiter von damals wurden in der Ex-DDR aufgespürt, man erfuhr von ihren verkorksten Biografien, die ganze Terrorismusdebatte erlebte eine Neuauflage. Verrückt. Kaum zurück aus Lateinamerika, war ich erneut mit meinem Lebensthema konfrontiert. Auflehnung gegen den Staat; welches Recht hat der Einzelne; wie weit komme ich mit gewaltfreien Mitteln? Ich hatte mir zwar geschworen, keine Waffe mehr in die Hand zu nehmen, aber in Deutschland lief immer noch verdammt viel schief. Erst recht, wenn man sich das Ganze mit den Erfahrungen aus der Dritten Welt anschaute. Und so wurde ich Autor.«
    Das war ein langer Vortrag gewesen, und er unterstrich ihn durch einen mannhaften Schluck aus seinem Weinschorleglas.
    »Verstehe«, sagte ich. »Sie sind einer von diesen Weltverbesserungsschriftstellern. In deren Büchern der Leser eine Anleitung bekommt, was Gut und was Böse ist.«
    »Nein«, entgegnete er ruhig. »Ich schreibe Romane. Die überlassen das Moralurteil dem Leser. L’art pour l’art ist allerdings nicht meine Sache, da haben Sie recht. Und natürlich werde ich wegen meiner Themen von den Medien immer in dieselbe Ecke gestellt: der dichtende Exkommunarde, der geläuterte Terrorist. Dieses Etikett werde ich nicht mehr los. Ist mir aber egal.«
    »Was für Romane sind das?«
    »Ganz unterschiedlich. Dicke, dünne, spannende, lustige. Um eines geht es allerdings immer: um das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft.«
    »Das soll einen lustigen Roman ergeben?«
    »Warum nicht? Kommt auf den Schreibstil an.« Er grinste mich an. »Wenn Sie meine Hauptperson wären, würde es bestimmt lustig.«
    Ich zuckte die Achseln. »Sie sind also ein ehemaliger Attentäter, der sich schreibend von seiner Vergangenheit gelöst hat. Und dann werden Sie von dieser Vergangenheit eingeholt: durch ein Attentat, bei dem eine gute Freundin umkommt. Richtig?«
    »Ironie des Schicksals, wenn Sie so wollen.« Wie vorhin griff er nach der Brille, klappte die Bügel auf und wieder zu.
    »Waren Sie mit ihr zusammen?«
    Er sah auf. »Mit wem? Beatrice? Wieso denn das?«
    »Nur so.«
    »Wie, nur so? Was spielt es denn für eine Rolle, ob ich mit ihr zusammen war oder nicht? Wir waren befreundet, sehr eng sogar, und sie war nicht mal halb so alt wie ich. Was wollen Sie sonst noch?«
    »Es war eine einfache Frage, Herr Usedom, und Sie müssen sie nicht beantworten. Wann haben Sie das Mädchen kennengelernt?«
    Ärgerlich warf er die Brille auf den Tisch. »Bei einer Podiumsdiskussion letztes Jahr. Die Fachschaft Geschichte hatte mich eingeladen. Hinterher kamen wir ins Gespräch, Beatrice und ich. Sie war halt interessiert an meinen Erfahrungen. Hatte sogar schon eins meiner Bücher gelesen. So entstand unser Kontakt.«
    »Verleihen Sie jedem Ihr E-Piano?«
    »Sie glauben mir nicht«, blitzte er mich an. »Okay, ich kann es Ihnen nicht einmal verdenken. Klar findet so ein alter Sack wie ich Gefallen daran, mit einer jungen Italienerin zusammen zu sein. Dass ich das noch erleben durfte! Trotzdem, wir waren kein Paar. Wir haben uns auf eine sehr seltsame Art Halt gegeben, aber wir wussten, dass es keine Beziehung auf Dauer war. Selbst wenn sie für immer in Deutschland geblieben wäre, was sie ja vorhatte. Sie sah in mir eher einen Vater als einen Freund, da mache ich mir keine Illusionen.«
    »Und Sie in ihr?«
    Er

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