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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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der Ticketverkäufer vom Anleger noch zu. Das Frettchen konnte kommen.
    Ich schaute zur Brücke hinüber. Scheu sah sich mein Informant um. Die Zeitung weitergeblättert, neue verstohlene Blicke. Fahrzeuge rauschten vorbei, Radler, hin und wieder Passanten. Keiner, dem nach einer Fahrt auf dem Neckar war. Doch, jetzt vielleicht. Eine füllige Frau mit Hut blieb vor der Tafel mit den Fahrpreisen und Abfahrtszeiten stehen, kontrollierte die Uhrzeit, musterte das Boot und schüttelte den Kopf. Schwerfällig stapfte sie weiter. Noch eine Minute. Der Ticketverkäufer spielte schon mit der Kette, die während der Fahrt den Zugang zum Ponton versperrte. Um mich herum wirbelten die beiden Kinder in ihren orangefarbenen Jacken und streckten ihren Eltern die Zunge raus. Endlich kam auch in das Frettchen Bewegung. Der Typ knüllte seine Zeitung einfach zusammen und warf sie hinter einen Stromkasten. Im Gehen zückte er seine Brieftasche, um sich ein Ticket zu kaufen.
    Aus dem Augenwinkel sah ich etwas aufblitzen. Es war ein Sonnenstrahl, der sich durch die brüchig gewordene Wolkenfront gekämpft hatte und auf das regennasse Glasdach des Katamarans fiel. Gierig sogen die Solarzellen das Licht auf. Im selben Moment gab es einen Schrei. Und noch während des Schreis einen Schuss.
    Ich riss den Kopf gerade rechtzeitig herum, um zu sehen, wie der Schädel des Frettchens zersprang. Knochensplitter und Gehirnmasse flogen in hohem Bogen durch die Luft. Als sie die Wasseroberfläche erreichten, lag der Körper meines Informanten bereits auf dem Boden. Beine und Unterleib auf dem Trottoir, der Rest auf dem Steg. Über ihm stand ein bärtiger Mann mit Schirmmütze und Schal, in der linken Hand eine hässliche kurze Waffe. Sein Arm, vom Rückstoß des Schusses nach oben gerissen, hatte ebenfalls einen Bogen beschrieben.
    Der Schrei war aus dem Mund des Ticketverkäufers gedrungen. Die Leiche des Frettchens zu seinen Füßen, den Mörder vor sich, begann er, grunzend zurückzuweichen, Richtung Boot. Ein Schrittchen, noch eins. Er bekam den Revolver mitten ins Gesicht und fiel vom Steg in den Neckar. Die Geldkassette, die er umgehängt hatte, zog ihn in die Tiefe.
    Dann wandte sich der Mann mit dem Schal uns zu.
    Auch wir hatten zu schreien begonnen. Alle acht. Die Glaswände des Katamarans vibrierten von unserem Geheul. So wiederholten sich die Vorgänge vom Uniplatz. Noch bevor der Mörder seine Waffe hob und auf uns zielte, hatte ich einen der Tische umgeworfen.
    »Versteckt euch!«, brüllte ich die beiden Kinder an und zerrte sie in den Schutz der Tischplatte. Stürzte zum nächsten Tisch hinüber, schmiss auch ihn um. Ich sah, wie die kleine Kanone in der Hand des Schützen meinen Bewegungen folgte, ohne dass ein Schuss fiel. Die Stahlrippen des Glasdachs waren im Weg. Zusammen mit der Mutter kauerte ich mich hinter die Tischplatte, während sich ihr Mann zwischen die Stühle auf den Boden geworfen hatte. Für das ältere Ehepaar und den Kapitän konnte ich nichts tun.
    Wir warteten. Immer noch kein Schuss. Auch keine Schritte auf dem eisernen Steg. Nur unser eigenes Keuchen war zu hören, unser Wimmern und das Heulen der Kinder. Zwischen uns und der Waffe lag eine Distanz von fast zehn Metern. Jeder einzelne Meter lebenswichtig. Waren wir nun alle dran? Würde der Kerl das riskieren? Warum haute er nicht ab? Er stand an einer belebten Straße, drohte entdeckt, aufgehalten zu werden.
    Ich lugte hinter dem Tisch hervor. Der Steg lag verlassen da. Keine Spur mehr von dem Schützen. Eine Passantin hatte den Arm gehoben und zeigte entgeistert Richtung Altstadt.
    Er war fort.
    »Es ist vorbei!«, rief ich, aber es kam nur ein Krächzen zustande. Also noch einmal: »Es ist vorbei! Er ist weg. Er kommt nicht wieder.« Ich packte die weinende Frau bei den Schultern und schüttelte sie. »Gehen Sie zu Ihren Kindern. Ihnen wird nichts passieren.« Dann zog ich mein Handy, drückte die Wahlwiederholung und richtete mich auf. Das ältere Pärchen stand am Ende des Boots und klammerte sich aneinander. Vom Kapitän war nichts zu sehen.
    »Herr Fischer!«, keuchte ich, kaum dass sich der Kommissar gemeldet hatte. »Alarmstufe eins. Mein Informant ist erschossen worden. Der Mörder flüchtig. Hier am Anlegesteg des Solarboots bei der Alten Brücke. Wo sind Ihre Leute?«
    »Unterwegs«, erwiderte Fischer bemerkenswert sachlich. »Sollten eigentlich schon dort sein. Notarzt?«
    »Ja. Bringen Sie alles mit, was laufen kann. Wir müssen den Kerl

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