Altstadtfest
fragen Sie. Mit schönem Gruß von mir. Moment! Was soll das heißen, Sie fragen sie?«
»Ach, nichts. Nur dass ich mich gestern mit einem getroffen habe, der die Gruppe angeblich kennt.«
Für einen kurzen Moment schien der Kommissar die Luft anzuhalten. »Das meinen Sie nicht ernst.«
»Ich schon. Ob er es auch ernst meint, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht ein Trittbrettfahrer.«
»Ein Trittbrettfahrer, soso«, grummelte Fischer. »Warum erzählen Sie das nicht gleich, anstatt mich mit Ihren Kneipeneskapaden und aberwitzigen Theorien zu belästigen? Für wie glaubwürdig halten Sie den Informanten?«
»Das fragt mich Petazzi auch dauernd. Ich weiß es wirklich nicht. Der Mann wollte sich heute noch einmal melden. Sobald er mir den Treffpunkt mitgeteilt hat, informiere ich Sie, einverstanden?«
»Einverstanden.« Von der Wortmelodie her klang es zwar eher wie: Scheren Sie sich zum Teufel, Koller, aber das war ich von Kommissar Fischer gewohnt.
»Dann wahrscheinlich bis nachher. Und grüßen Sie Ihre Frau ganz lieb von mir!« Ich drückte ihn weg, bevor er mir weitere Schimpfworte um die Ohren pfeffern konnte. Maria nickte mir halb erleichtert, halb sorgenvoll zu.
»Die werde wiederkomme, Max«, meinte sie.
»Ach, was«, wehrte ich ab. »Der Kerl hat genug. So ein Kommissar zieht immer.« Keine Ahnung, ob sie mir glaubte. Ich selbst tat es jedenfalls nicht. Wenn um Millionen gepokert wurde, stach kein Polizist. Geschweige denn ein Privatdetektiv. Zum ersten Mal musste ich mich ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, wie es wäre, wenn der Englische Jäger nicht mehr existierte. Nachdenklich kehrte ich an Usedoms Tisch zurück.
»Nicht schlecht«, nickte der Schriftsteller und klopfte mir auf die Schulter.
»Finden Sie? Weil ich mal wieder meine Vorurteile gegenüber einem Menschen ausgelebt habe, von dem ich nichts weiß?«
»Wieso ausgelebt? Sie haben den Mann doch rhetorisch überzeugt.«
»Und das Handy? Ach ja, Gewalt gegen Sachen ist okay, ich vergaß.«
Er grinste. »Meinen Sie, der kommt wieder?«
»Ich fürchte, ja.«
»Was kann man dagegen tun?«
»Weiß ich nicht. Präsenz zeigen. Die Augen offen halten. Setzen Sie einen Aufruf zur Solidarität in die Zeitung. Dummerweise haben solche Kneipen keine Lobby. Hier speisen keine zukünftigen Nobelpreisträger, hier wird kein Umsatz gemacht. Nach der Logik des Gemeinderats und des Tourismusverbands müsste man den Englischen Jäger plattmachen und durch ein Hotel oder eine schnieke Disco ersetzen.«
»Auch der eine oder andere Lokalpolitiker ist hier schon versackt.«
»Was er vergisst, sobald er in Amt und Würden ist. Egal, wir werden nichts daran ändern können. Anderes Thema. Sie wollten mir erzählen, wie Sie Schriftsteller geworden sind und wie Sie Beatrice getroffen haben.«
»Wollte ich das?«, lächelte er. Maria stand plötzlich neben uns und stellte mir eine Flasche Pils vor die Nase.
»Heute nix zahle, Max«, sagte sie und verschwand. Ich prostete dem Schriftsteller zu. Nach dem Duell mit dem Beschwänzten kam mir das Bier gerade recht. Zum Teufel mit der Uhrzeit!
»Also«, sagte Usedom, langsam über den Rand seines Glases streichend. »Wo war ich stehen geblieben?«
»Bei Ihrer Verurteilung.«
»Richtig. Die Zeit im Knast war natürlich nicht angenehm, aber sie ging vorüber. Schwierig wurde es danach. Mir war klar, dass ich Mist gebaut hatte, aber wie ich das wiedergutmachen sollte, wusste ich nicht. Meine Freunde waren verhaftet, im Ausland oder sagten sich von mir los. Meine Familie natürlich auch. Und wer mochte schon was mit einem ehemaligen Terroristen zu tun haben? Ich bekam keinen Job, keine Lehrstelle, nicht mal einen Studienplatz. Die bundesrepublikanische Gesellschaft hielt ihre Reihen fest geschlossen.« Er fuhr sich über das Kinn. »Verstehen Sie mich nicht falsch, ich beklage mich nicht darüber. Ich sage nur, wie es war. Die Zeit im Gefängnis bedeutete keine echte Sühne für mich. Die kam anschließend. Und währte Jahre.«
Ich nahm einen zweiten Schluck. In Gedanken war ich immer noch bei dem Securitymann mit dem Stöpsel im Ohr.
»Verlorene Jahre«, sagte Usedom. »Drogen, Alkohol, Entzug, wieder Drogen. Fast hätte ich es geschafft, das Land von mir zu befreien. Am schlimmsten war die Begegnung mit Michael. Wegen der Schwere seiner Verletzungen hatten sie ihn nicht verurteilt. Irgendwann besuchte ich ihn in einer Einrichtung für Behinderte. Einmal und nie wieder. Danach war ich reif für die
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