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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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und darf dir das Du anbieten. Altes Gesetz. So, und jetzt zu deinem Dings. Zu dem, was du gerade sagtest. Wie war das noch mal im Mittelteil? Nee, war ’n Witz, ich weiß ja, was du meinst. Pass auf, Max, du kennst doch die Frauen.«
    Ich verdrehte die Augen.
    »Klar kennst du die. Maria hat mir erzählt, wie es zwischen dir und Christine steht. Das wird schon wieder. Mit mir und Beatrice war es ganz anders. Zum Beispiel waren wir nie im Bett miteinander. Nur fast. Sie wollte das nicht. Ich auch nicht, klar. Also natürlich wollte ich, bin ja auch nur ein Mann, aber sie war so jung, und ich alter Ochse … Was wollte ich eigentlich sagen?« Er nahm die Bierflasche vom Boden und betrachtete sie nachdenklich. »Jedenfalls war es klasse mit ihr, so oder so. Du verstehst das, Max, weil, du bist keiner von diesen Spießern.« Er verstand mein Schmunzeln falsch und fuhr begeistert fort: »Nicht wahr, du und ich, wir sind die Einzigen hier, die keine Spießer sind. Die Einzigen in der ganzen Stadt! Denk nur an die Fratzen, die samstags die Hauptstraße verunstalten. Oder die Typen auf Petazzis Schnittchenparty, all das bürgerliche Gesocks hinter seinen Jugendstilfassaden – da sind wir anders, was?«
    Achselzuckend spülte ich meinen Rachen mit Talisker. Mir war egal, wo ich meinen Whisky trank, hinter einer Bretterwand oder einer Jugendstilfassade.
    »Von denen kapiert keiner, warum man mal mit einer Panzerfaust hantiert hat. Warum man in seinem Leben Fehler machen muss. Die sehen nur den Weg vor sich, den Papa und Mama für sie gebahnt haben, und ganz hinten poliert der Bestatter schon mal ihren Sarg. So siehts aus, Max!« Seine Worte unterstreichend, schwenkte er die Flasche großzügig durch die Luft und verschüttete etwas Bier.
    »Beatrice gehört wohl nicht zu Ihrer Spießerkategorie?«
    »Sehr richtig!«, rief er. »Absolut ins Schwarze. Ich meine, verstanden hat sie nicht, warum ich das damals gemacht habe. Da war sie anders drauf. Waffen und Sprengstoff, das fand sie alles scheiße. Aber sie hat versucht, es nachzuvollziehen, verstehst du? Sie hat mich gefragt, gelöchert. Aufschreiben sollte ich es. So, dass ich es auch kapiere, sagte sie immer wieder. Also hab ichs getan.«
    »Ich dachte, das hätten Sie ohnehin in den letzten 20 Jahren. Roman für Roman.«
    »Nee.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Hab ich nicht. Hab mich immer gedrückt. Immer knapp dran vorbei. Klar, das Thema spielte mit rein, war in jedem Text dabei. Sub- … Wie heißt das? Subkutan, genau. Trotzdem, die reine Vermeidungsstrategie. Hast du auch so einen Hunger?«
    Ich schwieg.
    »Was ist? Hab ich was Falsches gesagt?«
    »Ich habe schon gegessen.«
    »Ich weiß. Und es war lecker, sagtest du. Ist noch was übrig?«
    »Ein Teller«, brummte ich. »Höchstens.«
    »Du hast doch meine Erzählung gelesen, Max. Hast du?«
    »Noch nicht.«
    »Macht nichts. Pass auf: Während ich esse, liest du sie. Einverstanden? Und dann fahren wir.«
    »Wohin?«
    »Sag ich dir nachher. Weißt du, ich muss was essen, sonst kann ich nicht Auto fahren.«
    »Ich habe kein Auto.«
    »Aber ich«, grinste er.
    »Du bist mit dem Auto gekommen, du Irrer? In deinem Zustand?«
    Er hob die Flasche. »Auf unser Du, Max! Hat ja lange gedauert, bis du so weit warst.«
    Ich schloss die Augen. Dieser Typ machte mich fertig.
    Immerhin, die nächste halbe Stunde hielt er seinen Mund. Er futterte, ich las. Ich hatte gelogen, als ich von einem Teller sprach; die Reste ergaben noch drei Portionen, und er verputzte sie alle. Ab und zu brummte er zufrieden vor sich hin, ab und zu nippte ich an meinem Whisky. Seine Geschichte gefiel mir bedeutend weniger, als ihm mein Essen schmeckte. Aber vielleicht hatte ich nur keine Ahnung von Literatur.
    »Lecker«, meinte er einmal. »Bei dir komme ich öfter zum Essen vorbei. Hey, war ’n Witz.« Er wollte sich schier ausschütten vor Lachen.
    Ich hatte noch ein paar Seiten vor mir, als er den Teller beiseite stellte und sich den Mund am Ärmel abwischte. »Fertig?«, fragte er.
    »Nicht ganz.«
    »Wo bist du?« Er stand auf und sah mir über die Schulter. »Ah, da. Los, wir fahren. Den Rest kannst du im Auto lesen.«
    »Ich steige in kein Auto, das du fährst.«
    »Warum nicht?«
    »Schon wegen dieser Frage, Saufnase.«
    Der Blick, den er mir schenkte, war weniger empört als verwundert. Auch wenn ihn die Mahlzeit ernüchtert haben sollte und er kaum noch schwankte, hatte er bestimmt eine ordentliche Ration Restalkohol im Blut.

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