Altstadtrebellen
Natur, das ist überhaupt nicht das ihre. Eher Asphalt, wie man so sagt, Schotter, das wäre es. Haben Sie was mit Schotter?«
Meine Beraterin sah mich lange an: »Schotter! Da weiß isch jetzt gar nisch, was isch Ihnen da … schauen Sie …«, meinte sie, drehte sich um und griff nach einem Probeflakon: »… da hab isch jetzt mal das Schanell Nummer fünf, da können Se eischentlisch nichts falsch machen, wenn isch mal kurz …«
Und dabei deutete sie mir an, meinen Arm freizumachen, was ich auch gleich befolgte. Mit einem kleinen Pfft bekam ich die Duftkostprobe auf mein Handgelenk gesprüht. Sie wies mich noch an, erst ein bisschen zu wedeln, damit sich der wahre Duftcharakter entfalten könne, also wedelte ich. Dann roch ich an meinem Handgelenk. »Aha«, murmelte ich, während sie sich mit einer weiteren Flasche bewaffnete: »Oder hier, CK One mit einer etwas juchentlischen Komponente.« Pfft!
Ich wedelte wieder und roch.
Schon hatte sie das Dritte: »Oder hier, einfach mal zum Vergleisch, Pacific Paradise, das is so zwische Kokosnuss-Sorbet und Zuckerwatte.« Pfft.
Ich roch, und sie fuhr mit einem belehrenden Blick fort: »Jetzt noch mal, weschen dem verspielt und weil Sie meinten Schotter, mansche möjen ja auch einen Kontrast zur Persönlischkeit!«
Damit griff sie in eine weitere Duftcharakterabteilung: »Wenn Sie das vielleischt emal testen möschten, dat nennt sisch Greenhopper Sleevegrass«, pffft, »hat so bisschen wat von Rosen, Vanille und Veilschen, oder dat hier, mehr so mit Holz und Zeder.« Pffft.
Ich musste beide Ärmel immer höher krempeln, um noch freie Plätze für die Duftkostproben auf meinen Armen anbieten zu können.
Und so hat diese Fachverkäuferin meine Arme links und rechts einparfümiert, bis hoch zu den Schultern. Dann war beim besten Willen kein Platz mehr frei. Ihr Angebot, an den Waden weiterzumachen, schlug ich ab, da mir ohnehin schon schwindelig war. Ich wollte mich zum Riechen nicht auch noch bücken müssen.
Da ich längst nicht mehr in der Lage war, in dieser Geruchsexplosion irgendetwas zu unterscheiden, fuhr ich mit Charakterbeschreibungen fort. Dieses Mal ging’s um Partnerschaft: »Wissen Sie, wir haben auch Meinungsverschiedenheiten! Kann man das vielleicht mit einflie ßen lassen?«
»Wie?«
»Meinungsverschiedenheiten! Streit!«
Die Verkäuferin schwieg. Ich versuchte ihr sanft zu erklären, was ich darunter verstehe: »Streit. Der entsteht folgendermaßen: Falsche Erwartungshaltung zum falschen Zeitpunkt, und da mischt sich noch ein Missverständnis dazwischen!«
Die Parfümspezialistin sah mich an, als hätte ich sie gefragt, ob sie mit mir schlafen will. Ich redete mich weiter ins Verderben: »Meine Frau fordert oft Dinge von mir, die ich nicht erfüllen kann. Erst neulich komme ich nach Hause, da sehe ich sie mit Handschellen ans Bett gekettet. Verstehen Sie, ich steh mit Hut, Arbeitstasche und Mantel vor ihr und sie sagt: ›Schlag mich doch, schlag mich doch!‹ Ich bin doch dann auch müde, außerdem kann ich das gar nicht, ich habe ja so etwas noch nie gemacht!«
Nach dieser Situationsbeschreibung drehte sich die Verkäuferin um und ging ab mit dem Satz: »Isch hole mal eben den Jeschäftsführer!«
Als ob der besser wüsste, was meine Frau gerne riecht, dachte ich mir, nahm meine Taschen und verließ mit einer bombastischen Geruchswolke um mich herum den Laden. Verfolgt von mehreren hübschen Jungs eilte ich zum Bahnhof und fuhr heim.
In meiner Verzweiflung brachte ich meiner Frau dann aus der Apotheke einen Franzbranntwein mit. Gefreut hat sie sich nicht, aber weil sie mich kennt, hat sie nach zwei Tagen wieder mit mir geredet. Den Franzbranntwein haben wir beide dann zur Versöhnung getrunken.
Straßenfest
Fleißig am Wenden
»Ein Schiff wird kommen, und das bringt mir den einen, hm hm hm hm hm hmhmhm…«, lässt es der Ranftl Sepp musikalisch verlauten, leise mitsummend.
Dieses Jahr hat es den Zieser Johann erwischt. Der muss das Straßenfest ausrichten. Bei ihm geht das ganz gut. Wir wohnen ja in einer Vorstadtsiedlung. Vorn der Garten, hinten das Haus, Doppelgarage, vorn der Garten, hinten das Haus. Manchmal ist auch vorn das Haus und hinten der Garten, dann wieder Doppelgarage. Und beim Zieser Johann ist diese Doppelgarage ja nach hinten versetzt, und wenn das große Garagentor auf ist, steht links der Holzkohlegrill, rechts der Elektrogrill. Und
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