Altstadtrebellen
könnten ja ein bisschen spazieren gehen. Das Gelände hier hat ganz anschauliche Gebäude!« Dabei nimmt er die Solaruhr vom Tisch. »Dabei könnte ich gleich mal schauen, ob die Uhr bei Sonneneinstrahlung funktioniert. Die hat nämlich Sekundenzeiger, an der wäre ich interessiert!«
Darauf geht Chosy wieder auf Simmermanns Worte ein: »Eeheeh, ich glaube, ich weiß, was Simmermann meint, ich sehe das auch so. Wir sind alle einfach zu unentschlossen!«
Nach einem stillen Moment meint Simmermann: »Ja, und was sollen wir jetzt machen?«
Da hat Walter eine Eingebung: »Ich hab eine Idee! Wir könnten einen Verein gründen!«
»Nein, Walter«, erwidert Simmermann, »wir können keinen Verein gründen. Weil es für alles auf dieser Welt schon einen Verein gibt. Gerade wir hier in diesem Land sind die Weltmeister der Vereine, ob Kaninchen, Folklore oder Briefmarken, für jeden Kleiderständer gibt’s einen Verein, verstehst du, Walter, da brauchen wir nicht auch noch …«
»Entschuldigen Sie, bevor Sie platzen, Herr Simmermann, darf ich kurz unterbrechen …«, wirft sich Hannover-Fred mutig dazwischen, »… ich hätte da für Ihre Runde einen Kompromissvorschlag. Also, wenn Sie sich alle zu unentschlossen fühlen, dann gründen Sie doch gemeinsam den Verein für Unentschlossene, das würde das Aktive mit dem Passiven im Verein vereinen, wenn Sie verstehen, was ich meine!« Und wieder lacht er in seiner so gönnerischen Art.
»Was sagt er? Hat er das ernst gemeint?«, fragt Simmermann.
Walter meint durchaus angetan: »Ich weiß nicht, aber irgendwie klingt es doch, ähh…« Ihm fehlt in seiner versuchten Diplomatie das abschließende Wort.
Fred wird aktiv: »Ich bin auch gerne behilflich beim Erstellen der Vereinsstatuten!«
Jetzt ist auch schon Simmermann ernsthaft am Überlegen: »Nein, nein, Fredl, das machen wir schon selber, da kenn ich mich schon aus. Verein für Unentschlossene ist ganz einfach! Sobald einer von uns eine Idee hat und diese in die Tat umsetzt, wird er rausgeschmissen!«
Walter zeigt sich begeistert: »Also, da wäre ich sofort dabei!« Sein Blick führt zum Stehtisch. »Der Bronske macht vielleicht auch mit, bei der Lucie, wird es, glaube ich, ein schwieriges Aufnahmeverfahren, weil die hat schon zu viel unternommen. Aber die könnte ja die Buchhaltung übernehmen oder so was!«, ergänzt er kleinlaut. »Chosy, wie schaut es bei dir aus, bist du dabei?« Chosy ist verunsichert und nervös, so spontan etwas zuzusagen, war nie seine Stärke. Seine Augen unter den hochgezogenen Augenbrauen kreisen durch den Raum, alle Blicke ruhen erwartungsvoll auf ihm, von dem man lange nur Robert De Niros stöhnendes Raunen hört: »Eeheeeh… eehh… ehh…«, doch dann, »…eeh, ich ehhh, o.k.«
Simmermann schreitet zur Tat: »Aha, gut. Also dann gründe ich jetzt den Verein!«
Chosy, der sich schon als aktives Mitglied sieht, gibt zu bedenken: »Langsam, Simmermann, langsam. Wenn du den Verein gründest, dann hast du einen Beschluss gefasst. Dann kannst du nicht beitreten!«
»Ah so?«
»Wie sieht es denn aus, da vorne am Stammtisch, kann man schon was Neues erfahren?«, meldet sich neugierig Hannover-Fred. Simmermann dreht sich langsam zu ihm um und sieht Fred plötzlich mit ganz anderen Augen. Er weiß, wie das Problem zu lösen ist und lächelt Fred an: »Fredl, hast Lust, magst du dich zu uns an der Tisch hersetzen?«
Fred blüht auf. Er erhebt sich und meint strahlend: »Aber gerne. Also, da bin ich ja überrascht. Aber natürlich, da bin ich doch, äh…«, stammelt er vor sich hin, während er sich einen Stuhl schnappt und dazusetzt. Es ist ihm nicht bewusst, dass er gleich einen Verein gründen wird, aus dem er sofort rausfliegt.
Ausflug in die alte Hauptstadt
Crashkurs in Bonn
In der Zwischenzeit war ich einmal zu einem dreitägigen Intensivkurs zur Rhetorikschulung nach Bonn gefahren, um meine Vortragsfähigkeiten auf Hochzeiten und Geburtstagen zu verbessern.
Da Bonn früher Regierungssitz war, gibt es dort noch immer eine ganze Menge Rhetorikspezialisten, die preiswerte Crashkurse anbieten. Der Leiter unseres Kurses, Herr Wilmsheimer, ein korrekter Mann um die fünfzig, legt sich am letzten Tag, zum Finale quasi, noch einmal mächtig ins Zeug: »Herzlich willkommen, liebe Kursteilnehmer bei unserem kleinen Rhetorikseminar ›Überzeugtes Reden durch redendes Überzeugen!‹«
Für einen Moment
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