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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
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neben mir, setzt Dr. Manfred Portzner seinen Monolog fort: »Da können wir Sie ja gleich mitnehmen zu unserem Straßenfest, so wie ich den Johann kenne, baut der schon den Grill auf!«
     
    »Was, jetzt, heute?«, sage ich noch und blättere panisch in meinem Termintagebuch. Kein Eintrag. Hab ich das versemmelt? Da hätte ich mir doch eine Ausrede einfallen lassen müssen. Zu spät. Was machst du jetzt? Ich will auch nicht, dass die zwei hier mit mir Kaffee trinken. Der laute Portzner und der schlecht gelaunte Herbert. Da blamiere ich mich doch bloß bei meinem Fräulein Tatjana. Ich gehe erst mal zu Herbert, der immer noch mit gesenktem Kopf mitten im Café steht: »Herbert, was ist denn, was hast denn schon wieder?«
     
    »Ah, grummel, grummel, weißt, was ich grad verkauft hab? Acht Karton Wein hab ich grad verkauft!«
     
    »Acht Karton Wein? Ja, Herbert, das ist doch gut!«
     
    »Gut? Gut, sagst du? Das kommt drauf an, an wen du so was verkaufst. Verstehst du?«
     
    Herbert redet sich in Rage: »An eine Finanzberatungsfirma hab ich den Wein verkauft. Verstehst du. Das sind Werbegeschenke. Jetzt bin ich bei denen mit drin. Das war ein guter Wein. Jetzt machen die wegen mir noch mehr Umsatz. Ich bin so ein Arschloch. Aber das sag ich dir …«, und dabei fuchtelt er gefährlich gestikulierend mit seinen Armen herum: »… das sag ich dir, einen von denen, wenn ich auf der Straße einmal erwisch, und Gesichter, du kennst mich, Gesichter kann ich mir merken, einen wenn ich erwisch, dann hau ich ihm eine solche bayrische Qualitätswatschen …!«
     
    Nun holt er so furchterregend aus, dass ich ihn nicht mehr nur sprachlich, sondern auch körperlich ausbremsen muss: »Herbert, Herbert, horch einmal, du bist hier nicht auf der Straße, sondern in einem Café, keiner von deinen Finanzberatern sitzt hier drin, und neben dir steht eine Glaskuchenvitrine, also pass ein bisserl auf!«
     
    Während ich den Herbert beruhige, sehe ich, wie Dr. Manfred Portzner, immer noch stehend, mit so einem ganz speziellen Blick zu meinem Fräulein Tatjana rüberschaut.
     
    Ein Blick, den er vielleicht vor dreißig Jahren konnte, mit dem er sich jetzt aber eigentlich nur selbst parodiert. Ein Blick, mit dem er damals vielleicht sogar Erfolg hatte, die Brauen schräg nach oben, ein angedeutetes Lächeln, der rechte Mundwinkel etwas höher, so zwischen Clark Gable und Sean Connery, meint er. Mut hat er ja, denke ich noch. Der traut sich wenigstens.
     
    Ich habe ihn schon einmal an einer Straßenkreuzung erwischt, mit selbigem Blick stand er an der Ampel und sprach zu einer jungen Frau neben sich:
     
    »Müsst euer Glück nicht auf die Jüngsten setzen,
     
    die Angejahrten wissen euch zu schätzen!«
     
    Ampel und Frau wechselten auf Grün, und sie ging sichtlich verdattert weiter.
     
    So weit will ich es in meinem Café mit meiner Bedienung auf keinen Fall kommen lassen. Also bezahle ich, und wir marschieren los.
     
    Während Portzner laut vor sich hinschwadroniert, über das herrliche Wetter und über billige, zweckorientierte, einfallslose Bauklötze, womit er die Häuser, die an uns vorbeiziehen, meint, während Herbert dauernd etwas vor sich hingrummelt wie: »Verkauf ich den Geldsäcken meinen Brunello, ich Depp!«, schießt mir wieder mein entsetzlicher Mangel an Überredungskunst durch meine Gedankenwelt. Welche Katastrophe wäre es gewesen, hätte ich zu ihr gesagt: »So frisch und jung wie Sie, Fräulein Tatjana, deren Rundungen sich erst im Abgang offenbaren!«
     
    Grausam.
     

Asche im Hirschkopf
     
    Wie gern hätte ich in diesem Jahr ein Privatleben gehabt. Aber ich hatte keins.
     
    Nachdem mich Isabella rausgeworfen hatte, hütete und bewohnte ich das Haus eines Bekannten, der sich für ein Jahr eine Auszeit in Bolivien gönnt. Trekkingurlaub mit anschließender Rundreise durch Südamerika. Vielleicht, meinte er, will er später einmal ganz auswandern. Wie so viele. Auswandern, das Glück suchen in weiter Ferne. Viele kommen ja doch wieder zurück. Einen kenne ich, der ist schon vier- oder fünfmal ausgewandert, der wohnt immer noch in München, zwischen Pasing und Obermenzing. Aber das ganze Trallala vorher, planen, packen, drüber reden und immer derselbe Satz: »Du weißt schon, dass wir bald auswandern?« Ich spiele dann schon mit, schlage meine Hände in mein erschrockenes Gesicht und brülle: »Neeein! Tut das nicht, wie sollen wir ohne euch leben?«
     
    Das gehört sich so. Wenn die dann nach einem Jahr

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