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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
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gerät er ins Nachdenken, man sieht ihm an, dass er jetzt etwas Spaßiges von sich geben will: »An dem Titel, wie Sie wissen, arbeite ich noch, aber was soll’s, ein guter Freund von mir erwartet demnächst sein achtes Kind. Er hat sich sozusagen selbst überzeugt! Ein kleines Wortspiel - warum nicht, heute am letzten Abend, denn wie meinte schon unser großes Vorbild Johann Wolfgang von Goethe …«, und damit holt er einen Zettel aus seiner Jackentasche, »… Milch, Eier, Butter, Münsterkäse, ach äh, nein, das war etwas anderes. Aber sei’s drum, sechs Doppelstunden liegen hinter uns, in denen Sie alle ein bisschen was von dem gelernt haben, worum es bei der Kunst der Rede geht. Einer aus Ihrer Mitte hat sich bereit erklärt, ein kleines Beispiel von dem zu geben, was er bei mir so gelernt hat, das ist der Herr Selbiger-Wutz …«, und damit weist er auf einen Teilnehmer in der ersten Reihe, »… er ist bestimmt schon ganz aufgeregt, und wir sind auch schon sehr gespannt, was jetzt kommt, deshalb würde ich jetzt sagen, Bühne frei für Herrn Selbiger-Wutz!« Damit setzt sich Herr Wilmsheimer an den Tisch neben das Rednerpult und erwartet bei spärlichem Applaus den Auftritt.
     

Die instruktive Form des Zirkulars
     
    Etwas unbeholfen erhebt sich ein schmächtiges Männchen und betritt sichtlich nervös das Podium. Kalte Schweißperlen rinnen über sein blasses Gesicht, als er, vermutlich um sich selbst zu beruhigen, mit ein paar persönlichen Worten beginnt: »Ja, ich habe da so ein bisschen was zusammengeschrieben, ist nichts Besonderes …«, der Seminarleiter treibt ihn mit einer Geste an, »… ach, ich soll anfangen, ja, äh,…!« Er versucht sich zu sammeln, blickt gequält lächelnd über sein Publikum hinweg und legt im Stakkato völlig betonungsfrei los: »Aus dem Kapitel der Nötik promulgiere ich die Thelematologie der Stipendiaten als Fruktifikation eines Korsos. Das Supositum einer Promiskuität des Summus Episcopus konvulgiert wie eine Xanthippe mit dem suprationalen Delinganten. Also ein solches Decuvert des Volonturismus ist eine Nuvelierung des Korringeses vergleichbar mit einer instruktiven Stönekie in der Form eines Zirkulars.«
     
    Für einen Moment pausiert er, blickt kurz auf die ratlosen Kursteilnehmer, überspringt erkennbar so manche Zeile und kommt zum Schluss: »… das alles bleibt natürlich konvertibel oder mit anderen Worten, was soll’s!«
     
    Stille! Langsam verlässt er das Podium und setzt sich. Der Seminarleiter löst langsam die Hände vom verzweifelt verknautschten Gesicht: »Herr Selbiger-Wutz, ich bat Sie um ein kleines Redebeispiel, das in etwa das beinhalten sollte, was ich versucht habe, in sechs Doppelstunden zu vermitteln!«
     
    Verbittert sieht er auf seinen vermeintlichen Musterschüler: »Herr Selbiger-Wutz, das war keine Rede, das war ein Dreck. Hätten Sie sich wenigstens die drei Grundregeln gemerkt: Ausdruckskraft, Darstellungsvermögen und zwischen den einzelnen Pausen und Sätzen … und Pausen … und Sätzen die richtigen Pausen setzen.
     
    Wenn ich das Metier beherrsche, kann ich, wenn ich will, blind ins Bücherregal greifen, ein x-beliebiges Buch herausnehmen und eine Rede schmettern, dass die Parlamentarier unter die Tische rutschen.
     
    Ich werde Ihnen heute Abend das ein letztes Mal beweisen!«
     
    Und damit greift er tatsächlich mit geschlossenen Augen irgendwo in das dekorative Bücherregal des Seminarraums, entnimmt ein Buch, stellt sich hinter das Rednerpult und sieht erst jetzt auf seinen Zufallstreffer: »Aha, ein Kochbuch.«
     
    »Na gut. Wenn’s so sein soll, dann soll’s wohl so sein!«, meint er selbstbewusst, schlägt das Buch irgendwo in der Mitte auf und improvisiert drauflos: »Meine sehr gefüllten Datteln und Heringe, wir sind von unserem Streuselkuchen ja allerhand geschnetzelt! Aber was sich die Herren Hühnerbrühe dort jetzt wieder dünsten, geht doch sicherlich über die Maß hinaus, die auch dem fresssüchtigsten Burger zugebrutzelt werden kann.
     
    Wir leben in einem masurischen Mohnstritzel, in einem ausgekochten masurischen Mohnstritzel, in unserem türkischen Hammeltopf wurde schon im eigenen Saft geschmort, als man anderenorts noch Nudeln abschreckte …« Wild umherfuchtelnd legte er uns seine Überzeugungen dar, es schien der alte Geist des Plenarsaals wieder zu erwachen, wir wussten zwar nicht, von was er sprach, aber wir waren überzeugt, er hatte Recht: »Denn wüssten die Herren Schweineleber um

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